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Das Grundgesetz
Heft 1/2019 Hrsg: LpB |
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Einleitung |
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Das Grundgesetz |
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Im Mai 2019 feiern wir den 70-jährigen Geburtstag des Grundgesetzes. Das Grundgesetz wurde am 8. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossen und am 23. Mai 1949 verkündet. Das Grundgesetz ist im Laufe der Zeit eine respektierte und breit akzeptierte Verfassung geworden. Das Grundgesetz war die „Bauordnung“ der noch jungen Republik und wurde zur „Hausordnung“ der deutschen Demokratie. Im Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat in Bonn das
Grundgesetz als vorläufige verfassungsrechtliche Grundlage für das
„Provisorium Bundesrepublik“. Das einst als „Provisorium“ entworfene
Grundgesetz wurde mit der Wiedervereinigung 1990 die Verfassung des gesamten
vereinigten Deutschlands. Am 3.10.1990 ging die DDR mit ihrem Beitritt zum
Geltungsbereich des Grundgesetzes in der Bundesrepublik auf. Auf die
Ausarbeitung einer gänzlich neuen Verfassung wurde verzichtet. Das 70-jährige Bestehen des Grundgesetzes ist Anlass und Grund genug,
sich mit der Entstehungsgeschichte, den verfassungspolitischen
Weichenstellungen und der Entwicklung zentraler Verfassungsprinzipien
eingehender zu befassen. Das Verständnis eines politischen Systems wird
erleichtert, wenn man nach den historischen Konstellationen, dem
politisch-gesellschaftlichen Umfeld und nach den Einflussfaktoren fragt, die
es prägten. Die systematische Betrachtung der „langen Wellen“ der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kann sich dabei an zwei Fragen
orientieren: Inwieweit fanden die schmerzvollen historischen Erfahrungen
ihren Niederschlag in den Leitprinzipien des Grundgesetzes? Und inwieweit
beeinflussen aktuelle politischen Entwicklungen das Grundgesetz? Eine
Analyse dessen, was unser demokratisches Gemeinwesen zusammenhält, darf auf
eine bewertende Perspektive nicht verzichten. Daraus ergibt sich eine
weitere Frage: Lassen sich in den einzelnen Politikfeldern, die durch die
konstitutiven Weichenstellungen geprägt sind, Leistungspotenziale aber auch
Mängel feststellen, erklären und angemessen verstehen? Der unter schwierigen Bedingungen und mit einer historischen Erblast gegründete Staat sollte Schutzagentur und zugleich Garant für die Achtung und Wahrung der Grundrechte sein. Recht, Gesetz und alles staatliche Handeln sollten den Normen der Grundrechte unterworfen werden. Für den Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz als „Gründungsurkunde“ einer neuen politischen Ordnung erarbeitete, bedeutete dies, sowohl an die Traditionen modernen westlichen Verfassungs- und Grundrechtsdenkens anzuknüpfen und die verfassungsrechtlichen und politischen Lehren aus der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Diktatur zu ziehen. Es galt, die Würde des Menschen wieder in den Mittelpunkt allen politischen und gesellschaftlichen Handelns zu stellen, ihn gegen Übergriffe staatlicher Obrigkeit so gut wie möglich zu schützen und das Recht auf Unversehrtheit des Lebens, auf persönliche Freiheit, Ehre und Unverletzlichkeit des Eigentums zu gewährleisten. Gert-Joachim Glaeßner diskutiert die fundamentalen Grundlagen einer freiheitlichen politischen und sozialen Ordnung, so wie sie das Grundgesetz meint. Die Bundesrepublik Deutschland gehört mit ihrer mittlerweile 70 Jahre alten Verfassung vom Typ rechtsstaatliche Demokratie zum 36 Länder umfassenden Kreis gefestigter Demokratien mit einem Lebensalter von mehreren Jahrzehnten. Deutschlands Staatsverfassung, das Grundgesetz, regelt ein Regierungssystem, das durch hochgradige horizontale und vertikale Machtaufteilung und hohe politische Stabilität hervorsticht. Die politische Stabilität und die Machtaufteilung haben viele Ursachen. Eine davon erörtert der vorliegende Beitrag von Manfred G. Schmidt anhand des Spielregelwerks, das die Staatsverfassung der Bundesrepublik mit ihren wichtigsten „Verfassungsprinzipien“ dem politischen Betrieb im Lande vorschreibt. Es sind dies – laut staatsrechtlicher Konvention – Demokratie, Republik, Rechtsstaat, Bundesstaat und Sozialstaat. Aus dem Blickwinkel grundlegender Weichenstellungen für die Staatsorganisation ist die Liste der klassischen Verfassungsprinzipien um den „offenen Staat“ zu ergänzen. Der Föderalismus in Deutschland beruht auf der Idee der vertikalen Gewaltenteilung zwischen den Ebenen des Bundes und der Länder in Ergänzung zur klassischen horizontalen Gewaltenteilung. Intention des Parlamentarischen Rates war es, Freiraum für starke und selbstbewusste Länder zu schaffen und diesen – wenn nötig – im Bundesrat ein Gegengewicht zum Bundestag zu geben. Eine wichtige Aufgabe dieses Verbundsystems ist nach heutigem Verständnis nicht zuletzt die Nivellierung der Finanzunterschiede zwischen den Ländern und damit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Ungeachtet der Föderalismusreformen (2006, 2009 und 2017) gehört diese Verflechtung zu den Markenzeichen des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ausgehend von den demokratiesichernden Wurzeln des Föderalismus erläutert Roland Sturm diesen Grundpfeiler der bundesrepublikanischen Verfassung. Der Beitrag diskutiert die Wurzeln, Entwicklungen sowie das sich wandelnde Föderalismusverständnis und die wesentlichen Reformen des föderalen Systems. Die „Architekten“ des Grundgesetzes haben dem Rechtsstaat eine zentrale Rolle zugewiesen und damit an die europäische Verfassungstheorie und -praxis angeknüpft, mit denen die NS-Diktatur systematisch gebrochen hatte. Die Kernelemente des Rechtsstaats betonen die Bindung der Staatsgewalten, der Verwaltung und Rechtsprechung an Verfassung und Gesetz sowie die Bindung an das Prinzip der Gewaltenteilung. Das Neuartige der Rechtsstaatskonstruktion besteht in der herausgehobenen Rolle der Grundrechte und in der Errichtung eines Bundesverfassungsgerichts, ohne dessen Korrekturen und Rechtsprechung der Rechtsstaat deutlich ärmer an Freiheitsrechten wäre. Das Rechtsstaatsprinzip ist eine Erfolgsgeschichte, wenngleich der deutsche Rechtsstaat immer wieder durch gesetzgeberische Maßnahmen herausgefordert wurde. Nicolai Dose erläutert die Kernelemente, auf denen das Rechtsstaatsprinzip beruht, und skizziert in einem zeitgeschichtlichen Längsschnitt die Herausforderungen, mit denen der deutsche Rechtsstaat konfrontiert wurde. Vor allem die letzten Etappen des Längsschnitts belegen, dass das Bundesverfassungsgericht Hüter und zugleich Garant des Rechtsstaats ist. Mit dem Sozialstaatsprinzip haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes sozialpolitische Traditionen weitergeführt, die in den 1880er Jahren etabliert wurden. Der Beitrag von Siegfried Frech zeichnet die Entwicklung des deutschen Sozialstaats nach. Geschildert werden Entstehung und Ausbau der sozialen Sicherungssysteme von den 1880er Jahren bis zum Ende der Weimarer Republik sowie die politische Instrumentalisierung des „bismarckschen Erfolgsmodells“ durch das NS-Regime. In einem weiteren Schritt werden der Neubeginn und die sozialpolitischen Wegmarken nach 1949 skizziert. Präsentierte sich der Sozialstaat in Zeiten des Wirtschaftswunders und ökonomischen Wachstums als Erfolgsmodell, zeigten sich Mitte der 1970er Jahren erste Krisenanzeichen. Wirtschaftliche Zäsuren setzten der Ausweitung des Sozialstaats ein Ende. Die deutsche Wiedervereinigung schließlich stellte die sozialen Sicherungssysteme erneut vor Herausforderungen. Abschließend werden die Ursachen der seit längerem diagnostizierten Krise des Sozialstaats skizziert. Dass die Bundesrepublik im Zentrum Europas eine historisch einzigartig lange Epoche von mehr als 70 Jahren Frieden, Demokratie und Menschenrechten durchleben konnte, ist auch ein Verdienst ihrer Verfassung. Das Grundgesetz hat sich bewährt! Doch war dies historisch weder selbstverständlich noch gar zwingend. Einerseits ist das Grundgesetz eine relevante Verfassung, welche dem politischen Prozess wirksame Leitlinien und Grenzen gezogen hat. Andererseits hat es unabweisbaren Änderungsbedürfnissen keine unüberwindlichen Grenzen entgegengesetzt. Wichtige Motive für Verfassungsreformen ergaben sich stets dann, wenn sich Verfassungsnormen und gesellschaftliche Wertvorstellungen auseinanderentwickelten oder wenn Verfassungsregeln den sich verändernden Aufgaben staatlicher Institutionen nicht mehr genügten. Der Beitrag von Christoph Gusy stellt Wegmarken, Erfolge und Probleme dieser Entwicklung dar. Das Bundesverfassungsgericht ist die „wichtigste politische Innovation der Bundesrepublik Deutschland“ (Peter Graf von Kielmannsegg). Die Macht des Bundesverfassungsgerichts veranlasst manche Beobachter und politische Kommentatoren dazu, von der „Karlsruher Republik“ zu sprechen. Man mag dies für übertrieben halten – es macht jedoch deutlich, dass das in Karlsruhe sitzende Bundesverfassungsgericht eine wichtige politische Rolle spielt. Dabei sind besonders vier Aspekte von Bedeutung, die Marcus Höreth diskutiert: Wie konnte das Bundesverfassungsgericht so mächtig werden? Wie ist die Karlsruher Institution als Gericht und Verfassungsorgan organisiert, und wie behauptet es sich gegen die innerstaatliche Konkurrenz aus Politik und gewöhnlicher „Gerichtsbarkeit“? Welche Funktionen übt das Bundesverfassungsgericht, aus und wie beeinflussen diese das Verhalten der politischen Akteure? Welche Probleme sind mit einer derart machtvollen Verfassungsgerichtsbarkeit verbunden? Hält man sich an Gesetze, so hat dies auf den ersten Blick wenig mit Selbstverwirklichung und Kreativität zu an. Gerade deshalb sind Wertediskurse so verführerisch! Werte formulieren Vorstellungen von gesellschaftlich Wünschenswertem. Diese Vorstellungen gehen oft Hand in Hand mit dem Glauben, moralisch-ethisches Rüstzeug könne durch Appelle bereitgestellt werden. Der aktuell zu beobachtende Wertediskurs passt zum Selbstbild des heutigen Menschen, der sich als kreativ und selbstbestimmt erfahren will. Legt man die philosophische Messlatte an, wird jedoch deutlich, dass ein (vager) Wert erst umgesetzt werden muss, damit er eigenständig und sichtbar zur Geltung kommt. Es gibt somit einen Unterschied zwischen bloßem Wertebekenntnis und wertefundiertem Handeln. Unsere Wohlstandsgesellschaft macht es möglich, eine mangelnde Wertebegabung durch Konsum und „wertaufgeladene“ Produkte zu kompensieren, schafft aber durch die unterschiedliche Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen soziale Ungleichheiten. Wolfgang Ullrich setzt der Verführungskraft von Werten das Grundgesetz entgegen, das allen Menschen dieselben Rechte und Pflichten auferlegt. Gerade deshalb ist das Grundgesetz in einer „werteseligen“ Gesellschaft von unschätzbarer Bedeutung. Allen Autorinnen und Autoren, die mit ihren Beiträgen aufschlussreiche
Informationen und Einsichten vermitteln, sei an dieser Stelle gedankt. Dank
gebührt auch dem Schwabenverlag und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Druckvorstufe für die stets gute und effiziente Zusammenarbeit. |
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