Zeitschrift 

Islam und 
Globalisierung


 

Heft 2/3/ 2003


Hrsg.: LpB



 

Inhaltsverzeichnis

  Literatur und Globalisierung 
 

Anpassung und Widerstand im arabischen Roman

Von Andreas Pflitsch

 

 

Andreas Pflitsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Semitistik und Arabistik an der Freien Universität Berlin. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die moderne arabische Literatur.

 

 

Literatur war schon immer ein Reflex auf die Zeitläufte. Der Beitrag von Andreas Pflitsch fragt, was die moderne arabische Kultur und Literatur zum Konzept der kulturellen Globalisierung, zu Aspekten von Transkulturalität und zum Phänomen der transnationalen Literatur beitragen kann. Einblicke in die moderne arabische Literatur zeigen, dass es zwei Varianten gibt, mit der Globalisierung umzugehen. Einerseits ist dies der Widerstand gegen die als Überfremdung erlebten kulturellen Einflüsse. Die Kritik am Westen ist daher ein wichtiger Topos der modernen arabischen Literatur. 

Die andere Spielart hingegen ergreift die Chancen der Globalisierung auf literarischem Gebiet und nutzt sie im Sinne einer kulturellen Emanzipation. Gerade transnationale Biografien und deren literarische Verarbeitung zeigen, dass im Rahmen der Literatur kulturelle Unterschiede gelebt, verhandelt und kultiviert werden können. Nicht Festschreibung von Identitäten, sondern die Verhandlung von Differenz könnte zukünftig eine vornehme Aufgabe der Literatur sein. 

Red.

 

Es gibt keine getrennten Welten. Es gibt das Kunterbunte eines globalen zusammenhanglosen Zusammenhangs. 

(Ulrich Beck)

 

Verwestlichung oder Globalisierung? 

Der amerikanische Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt erzählt folgende Geschichte: Christoph Kolumbus landet mit seinen Mannen an der Küste des neu entdeckten Kontinents. “Wir sind gekommen”, hebt der Reisende aus der Alten Welt an, “um mit euch über Gott, Zivilisation und Wahrheit zu sprechen.” Die Menschen hören dem Fremden staunend zu und antworten dann: “OK. Was wollt ihr wissen?” (Zit. n. Beck 1998, S. 138). 

Greenblatt entlarvt mit dieser - natürlich erfundenen - Anekdote die Selbstsicht des Westens, der in seiner Überzeugung von der eigenen Überlegenheit den Rest der Welt einzig als Adressaten der eigenen Errungenschaften begreifen kann. Egal ob allein selig machendes Christentum, die Universalisierung der europäischen Moderne oder auch die Postmoderne und schließlich die Globalisierung: Der Westen versteht sich (explizit oder implizit) als Speerspitze der Entwicklung, als Telos der Geschichte und als der Weisheit letzter Schluss. 

Es ist hier nicht der Ort, die Berechtigung oder Nichtberechtigung dieses Phänomens zu diskutieren. Die Frage nach dem Niederschlag der Globalisierung in der modernen arabischen Literatur soll aber aus dem Blickwinkel des von Greenblatt zitierten amerikanischen Ureinwohners behandelt werden. Es soll, mit anderen Worten, im Folgenden nicht allein darum gehen, die Globalisierung als ein im Westen entstandenes Konzept über die moderne arabische Literatur zu stülpen. Vielmehr ist umgekehrt zu fragen, was die moderne arabische Kultur und Literatur zum Konzept der kulturellen Globalisierung, zu Aspekten von Transkulturalität und zum Phänomen der transnationalen Literatur beitragen kann. Wenn Globalisierung mehr sein soll als ein eleganterer Begriff für Verwestlichung, dann müssen wir uns von einem Denken verabschieden, das Fortschritt und Entwicklung als Einbahnstraße begreift. 

Vorausgeschickt seien kurze Bemerkungen zum klassischen Muster der Geschichtsschreibung des modernen Vorderen Orients und seiner Literatur sowie eine Klärung des Begriffes Globalisierung, wie er sich in Bezug auf Kultur und Literatur darstellt.

 

Tradition und Moderne, Osten und Westen 

Die traditionelle Historiographie - und in deren Fahrwasser die arabistische Literaturgeschichtsschreibung - erzählt die Geschichte folgendermaßen: Der wirtschaftlich, politisch, militärisch und kulturell überaus erfolgreiche Westen wurde seit Beginn des 19. Jahrhunderts vom zurückgebliebenen Osten, respektive Orient, zum Vorbild erkoren. Die Bedrohung durch die eigene Rückständigkeit führte im Vorderen Orient zu gesellschaftlichen, politischen, militärischen und kulturellen Reformen, die allesamt als Mischung von Adaptionen aus dem Westen und Besinnung auf die Werte der eigenen kulturellen und vor allem religiösen Tradition zu sehen sind. Auseinandersetzungen drehten sich meist um das richtige Mischungsverhältnis. Die mit dieser - im Westen wie im Osten gleichermaßen verankerten - Zuschreibung bestimmter Inhalte mit entweder (westlicher) Moderne oder (östlicher) Tradition bestimmt bis heute das Denken auf beiden Seiten. Der Westen nimmt in diesem Denkmuster immer die Rolle des Maßstabes an, an den sich der Osten mehr oder weniger annähern kann, will oder muss. 

Verlassen wir diese allgemeinen Bemerkungen und wenden uns der Literatur zu, dann stoßen wir auf eine ganz ähnlich verlaufende Debatte: Die einstmals blühende arabische Literatur, die (heute so genannte) klassische arabische Dichtung, so wird es bis in die Gegenwart in Standardwerken dargestellt, verlor im 13. Jahrhundert ihre Kraft und versank in Dekadenz und Stagnation (Moreh 1987, S. 89). Mehr als ein halbes Jahrtausend lang geschah nach dieser Lesart nichts Nennenswertes, bis dann im 19. Jahrhundert die europäische Moderne kam und der in einer Art Dornröschenschlaf darniederliegenden arabischen Literatur neues Leben einhauchte. Die moderne Prosa wurde von Beginn an als Import aus dem Westen angesehen. Der Roman als Gattung galt als dem arabischen literarischen Erbe fremd; von den arabischen Literaturkritikern und Autoren ebenso, wie von der europäischen Forschung (Pflitsch 2000a, S. 89f.). Erst in den letzten Jahren ist ein kreativerer Umgang arabischer Literaten mit der eigenen Überlieferung zu beobachten, der die verhärtete Dichotomie von Tradition und Moderne aufbricht (Pannewick 2000; Pflitsch 2000b.). 

Festzuhalten ist: Die moderne arabische Literatur hat sich von ihren Anfängen an am Westen abgearbeitet. Apologetische Töne, kulturelle Selbstbehauptung und Identitätssuche bestimmen in weiten Teilen ihre Form und ihre Thematik.

 

Globalisierung versus McDonaldisierung 

Der Begriff Globalisierung verändert sich, wie alle “großen” Begriffe, mit dem Kontext in dem er gebraucht wird. Er ist, so Ulrich Beck, “sicher das am meisten gebrauchte - missbrauchte - und am seltensten definierte, wahrscheinlich missverständlichste, nebulöseste und politisch wirkungsvollste (Schlag- und Streit-)Wort der letzten, aber auch der kommenden Jahre” (Beck 1998, S. 42). Und Thomas Meyer schreibt, die Globalisierung sei “so vielgestaltig und komplex, dass sie sich stets rasch zur Scheinerklärung von allem und jedem, aber auch des jeweiligen Gegenteils anbietet” (Meyer 2002, S. 11). Meist, so kann man fürs erste festhalten, bezeichnet der Begriff die mit der global agierenden Wirtschaft zusammenhängende Untergrabung von Nationalökonomie und Nationalstaat (Menzel 1998). 

In kultureller Hinsicht kann der Begriff Globalisierung zwei diametral entgegengesetzte Bedeutungen annehmen. Zum einen kann er zum Synonym von Verwestlichung oder (noch enger) Amerikanisierung werden (Griffel 2003). Er bezeichnet dann den in der Regel kritisch gesehenen Prozess der “McDonaldisierung”, also die Vereinheitlichung der Alltagskultur, der Warenwelt und der Lebensstile. In diesem Sinne erscheint Globalisierung als eine Art Neokolonialismus. Andererseits aber kann Globalisierung, zumal in kultureller Hinsicht, auch pluralistisch verstanden und damit als Chance begriffen werden. Globalisierungsprozesse unterliegen in diesem Verständnis einer Dialektik, die globalisiert und zugleich lokalisiert. Man spricht dann von “Glokalisierung”. Kulturell gesehen gilt nämlich nicht, dass die Welt im Zuge der Globalisierung homogener wird. Glokalisierung meint, dass Waren, Ideen und Menschen zunehmend weltweit strömen und präsent sind, zugleich aber in den jeweiligen lokalen Kontexten verortet bleiben und ihnen dabei angepasst werden. Statt mit einer neokolonialistischen hat man es dabei mit einer postkolonialistischen Einschätzung der Entwicklung zu tun. Beides kann mit dem Begriff Globalisierung bezeichnet werden und sicherlich ist es nicht ganz falsch, die beiden sich scheinbar ausschließenden Entwicklungen als zwei Seiten derselben Medaille zu sehen. Entsprechend gibt es auch zwei voneinander zu unterscheidende Formen des kritischen Umgangs mit der Globalisierung. Den Widerstand gegen die als Überfremdung erlebten kulturellen Einflüsse einerseits und den Versuch, die Chancen der Globalisierung auf kulturellem und literarischem Gebiet zu ergreifen und im Sinne kultureller Emanzipation zu nutzen andererseits. Die erste Möglichkeit ist eine eher defensive, die zweite eine eher offensive Herangehensweise.

 

Globalisierung als Bedrohung: Coca-Cola und McWorld 

 

Sonallah Ibrahims Roman “Der Prüfungsausschuss” von 1981 (deutsch 1987) steht für die erste Form des Umgangs mit Globalisierung, die defensive Form also, die Globalisierung als Bedrohung durch übertriebene Verwestlichung, als “McDonaldisierung” versteht. 

 

Der namenlose Ich-Erzähler des Romans wird vor einen Prüfungsausschuss zitiert. Er weiß weder, warum man ihn vorlädt, noch, welche Aufgabe der Ausschuss hat, noch, was der Ausschuss prüft. Nach langem nervösen Warten vor der Türe zum Tagungszimmer des Ausschusses wird der Erzähler schließlich hineingebeten und stellt sich den Fragen. Unter anderem will der Ausschuss Folgendes wissen: “Das Jahrhundert in dem wir leben, ist ohne Zweifel die grossartigste Epoche der Geschichte, und zwar sowohl aufgrund der Bedeutung und Zahl der Ereignisse, als auch aufgrund der Horizonte, die sich auftun. Wofür nun, seien es Kriege, Revolutionen, Neuerungen, wird man sich künftig an dieses Jahrhundert erinnern?” (Ibrahim 1987, S. 25). 

Der Erzähler, der noch immer nicht weiß, worauf die ganze Angelegenheit hinausläuft, antwortet unsicher, er könne viele Dinge von Bedeutung anführen. Er wird sofort streng unterbrochen mit der Bemerkung, er solle dem Ausschuss nur ein einziges Phänomen nennen. Er überlegt, Marilyn Monroe anzuführen, “da diese bezaubernde Amerikanerin im wahrsten Sinne des Wortes ein weltumspannendes Zivilisationsphänomen gewesen ist” (Ibrahim 1987, S. 26), nimmt jedoch davon Abstand, weil er erkennen muss, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handelte. Auch das arabische Erdöl fällt aus, da “dieses ja in wenigen Jahren versiegt sein wird” (Ibrahim 1987, S. 26). Die Eroberung des Alls hat ebenso wenig Wesentliches  hervorgebracht wie die Revolutionen. Auf der Suche nach einer Antwort landet unser Held schließlich bei Namen wie “Philips, Toshiba, Gillette, Michelin, Shell, Kodak, (...) Ford, Nestlé, Marlboro”: “Sie werden mir sicher zustimmen, meine Herrschaften, dass sich die ganze Welt der Errungenschaften bedient, welche diese Namen tragen, und dass sich die gigantischen Konzerne, welchen wir sie verdanken, ihrerseits der ganzen Welt bedienen und die Arbeiter zu Werkzeugen, die Verbraucher zu Ziffern, die Staaten zu Märkten machen. Dadurch sind sie ein wichtiges Ergebnis der wissenschaftlichen und technologischen Leistungen unseres Jahrhunderts und sind weder dem Vergehen noch dem Versiegen ausgesetzt - sind immerwährend” (Ibrahim 1987, S. 27). Aber auch diese Antwort befriedigt den Prüfling noch nicht ganz, bis ihm die einzig mögliche Antwort auf die Frage einfällt: “Ich werde Ihnen, meine Herrschaften, in Beantwortung Ihrer Frage, einen einzigen, zweiteiligen, viersilbigen Namen nennen, nämlich ... Coca-Cola” (Ibrahim 1987, S. 28). Die Begründung liegt auf der Hand: “Unter all dem von mir Genannten werden wir, meine Herrschaften, niemals etwas finden, was die Zivilisation dieses Jahrhunderts, ihre Leistungen und ihre Horizonte in gleicher Weise verkörpert wie diese kleine wohlgeformte Flasche, deren schmaler Hals problemlos in jeden Hintern passt. (...) Es gibt sie fast überall, von Finnland und Alaska im Norden bis Südafrika und Australien im Süden. Die Meldung von ihrer Rückkehr nach China nach einer dreissig Jahre währenden Abwesenheit war eine der Donnermeldungen, durch welche die Geschichte unseres Jahrhunderts geprägt sein wird. In einer Zeit, in welcher sich Begriffe wie ‚Gott‘, ‚Liebe‘, ‚Glück‘ von Land zu Land und von einer Sprache zur anderen unterscheiden, bedeutet ‚Coca-Cola‘ an jedem Ort und in allen Sprachen dasselbe” (Ibrahim 1987, S. 28f.). 

Anschließend wird die Geschichte von Coca-Cola mit der Weltgeschichte verknüpft: so wurde sie 1886 entwickelt, in demselben Jahr also, als in New York die Freiheitsstatue, das Symbol der Neuen Welt, aufgestellt wurde. Die dunkle Brause wird bei Sonallah Ibrahim schließlich zum Hauptprotagonisten der Geschichte des 20. Jahrhunderts: “Coca-Cola liess sich auf das Risiko zweier Weltkriege ein - und ging siegreich daraus hervor” (Ibrahim 1987, S. 31).

 

Kritik an der ökonomischen Globalisierung

Wir haben es bei diesem Roman mit einer geradezu klassischen Form der Kritik an der wirtschaftlichen Globalisierung zu tun. Der Roman, entstanden als Antwort auf die wirtschaftliche Öffnungspolitik des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat (Guth 1992, S. 114-149), bewegt sich auf den vertrauten Bahnen der marxistischen Kritik am menschenverachtenden Kapitalismus weltumspannender Großkonzerne. McDonalds und Coca-Cola sind seit jeher die Symbole für die quasi-wirtschaftsimperialistische Aggressivität des Westens. Benjamin Barbers vielzitiertes Buch zur Globalisierung trägt bezeichnenderweise den Titel “Jihad vs. McWorld”; die deutsche Übersetzung erschien 1996 als “Coca-Cola und Heiliger Krieg”. Man denke auch an die “Mecca-Cola”, die zur Zeit in Frankreich für Furore sorgt und auch in Deutschland inzwischen erhältlich ist. Die “Mecca-Cola” versteht sich explizit als politisch korrekte Alternative zum amerikanischen Original

Zurück zu Sonallah Ibrahim: Die Thematik seines Romans “Der Prüfungsausschuss” (wenn auch nicht seine feine Ironie) sind uns aus der älteren modernen arabischen Literatur wohlvertraut. Kritik am Westen, an der unreflektierten Übernahme westlicher Lebensformen (bzw. für westlich gehaltener Lebensformen) gehören, wie wir gesehen haben, zu den wichtigsten Topoi der modernen Klassik der arabischen Literatur seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert (Badawi 1993; Fähndrich 1994; Wielandt 1980). In Sonallah Ibrahims Roman kommt dieselbe defensive Haltung zum Ausdruck. Der Widerstand beschränkt sich auf die inhaltliche Ebene. Insofern haben wir es hier weniger mit globalisierter Literatur zu tun, als vielmehr mit der thematischen und inhaltlichen, nicht jedoch literarischen Einbeziehung von Globalisierung.

 

Mythos Levante 

Im Folgenden soll es nicht um diese defensive, kritische Art der Auseinandersetzung mit der (wirtschaftlichen) Globalisierung gehen, sondern um die andere der eingangs angesprochenen Möglichkeiten, die selbstbewusstere, emanzipatorische, postkolonialistische. 

Ein Beispiel für diese Art des Umgangs mit dem Phänomen der kulturellen Globalisierung sind die Werke Idwar al-Kharrats (Pflitsch 2000). Kharrat, wie Ibrahim Ägypter, hat in seinen Werken seiner Heimatstadt Alexandria ein literarisches Denkmal gesetzt und dabei gegen das europäische Alexandria-Bild angeschrieben, wie es in Lawrence Durrells berühmten “Alexandria-Quartett” (1957-60) zum Ausdruck kommt. Durrells Bild der ägyptischen Hafenstadt am Mittelmeer ist für Kharrat das perspektivisch verzerrte Bild eines Europäers, der sich durch orientalistische und kolonialistische Perspektiven leiten lässt (Kharrat 1996, S. 57). Kharrat will hingegen das authentische Alexandria zeigen, dass für ihn das levantinische, multiethnische, multikulturelle und multireligiöse Alexandria ist (Kharrat 1998, S. 15). Er beruft sich dabei unter anderem auf den griechisch-alexandrinischen Dichter Konstantinos Kavafis (1863-1933). Kavafis, einer der Begründer der modernen griechischen Dichtung, gehört zum Mythos Alexandria, dem Mythos einer Stadt, die kosmopolitisch, multikulturell und multiethnisch war und das Mediterrane schlechthin bedeutete (Keeley 1996). Die Stadt wurde für Italiener, Griechen, Türken und Araber, für Juden, Christen und Muslime gleichermaßen zu einem “Synonym für Pluralismus und Toleranz”, wie Joachim Sartorius im Vorwort der von ihm herausgegebenen Anthologie “Alexandria. Fata Morgana” schreibt (Sartorius 2001, S. 10). Dieses levantinische, offene Alexandria beschwört Kharrat in seinen oft autobiografischen Texten. Andere Beispiele ließen sich anführen, wie etwa die Erinnerungen des alexandrinischen Juden André Aciman “Out of Egypt” (Aciman 1994). Sie alle beschwören eine Vergangenheit und eine Tradition der “vornationalen Levante”. Alexandria, schreibt Sartorius, war “das Symbol für ein offenes Mittelmeer, ganz anders als das heutige Meer, dessen maghrebinische und östliche Küsten von engstirnigen Nationalismen versiegelt wird” (Sartorius 2001, S. 18). 

Sartorius’ Aussage gerät geradezu zynisch, da er vergisst zu erwähnen, dass der “engstirnige Nationalismus” ein Erbe des europäischen Kolonialismus ist und auch nicht darauf hinweist, dass die Menschen aus dem nördlichen Mittelmeer vergleichsweise leicht in die Länder des Südens reisen können, sich selbst aber zunehmend in ihrer “Festung Europa” abschotten. Sei es, wie es sei, die “klassische” Levante ist für Sartorius ein Symbol für die Sprengung nationaler Grenzen. An genau diese Tradition knüpfen Autoren wie Kharrat, Aciman und andere Alexandriner ebenso an, wie viele libanesische Autoren. Die Levante wird zum Gegenmodell nationalstaatlicher Grenzziehung und Identitätszuschreibung (Alcalay 1993).

 

Nationalismus homogenisiert und normiert auch die Literatur

Globalisierung ist vor allem ein Prozess der Denationalisierung, ein “Abschied vom Nationalstaat” (Albrow 1998). Das klassische Konzept der Nation, wie es sich im 18., vor allem aber im 19. und 20. Jahrhundert herausgebildet hat, wird in Frage gestellt. Konzepte wie Nationalsprache oder Nationalliteratur tragen nicht mehr, seit sie als Konstrukte - um nicht zu sagen: Erfindungen - erkannt sind, die einer Epoche angehören, deren Ende wir zur Zeit erleben (Geary 2002). 

Die Nation ist, nach einer griffigen Formulierung von Benedict Anderson, eine “vorgestellte Gemeinschaft”, die auf keinerlei objektive Grundlage außerhalb des Aktes dieser Vorstellung zurückzuführen ist (Anderson 1983). Eric Hobsbawm hat darum ganz richtig zu denken gegeben, dass “die Definition einer Nation durch das Bewusstsein ihrer Mitglieder, ihr anzugehören, tautologisch ist” (Hobsbawm 1998, S. 18). Dem nationalistischen Postulat einer Übereinstimmung von Volk, Territorium und Sprache entsprach bis ins 19. Jahrhundert hinein in Europa nur in den seltensten Ausnahmefällen die Realität (Geary 2002, S. 42; Hobsbawm 1998, S. 75). Die normierte oder gar gänzlich erfundene Nationalsprache wurde in den zunehmend zentralisierten, staatlichen Erziehungseinrichtungen durchgesetzt und in der Folge zu einem bis heute erfolgreichen Integrations-, Abgrenzungs- und Identitätsmerkmal der sich als Nationen begreifenden Kollektive (Geary 2002, S. 41; Hobsbawm 1998, S. 68f.). Außerhalb Europas kam es, vor allem im Zuge des Kolonialismus, zu ähnlichen Entwicklungen von Sprachnormierung und/oder -konstruktion (Osterhammel 2001, S. 106-111). Die in Europa, dem Geburtsort des klassischen Nationalismus, kaum je existierende Übereinstimmung von Ideal und Realität war auch und besonders außerhalb Europas nur unter größtmöglichen diskursiven Verrenkungen zu behaupten. 

Überall in Europa setzte im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der Normierung der Nationalsprachen ein Prozess der Kanonisierung der Nationalliteraturen ein, der sich vor allem durch den Rückgriff auf vorgeblich alte Literaturdenkmäler zu legitimieren suchte. Die vermeintliche Kontinuität von den alten Sprachdenkmälern zu der neuen nationalen Identität wurde konstruiert und eine Kohärenz stiftende Tradition damit in den meisten Fällen bewusst geschaffen (Schlaffer 2002).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Epoche des Nationalismus - nicht nur, aber auch unter den uns hier vorwiegend interessierenden kulturellen und literarischen Aspekten - eine Epoche der Homogenisierung und der Normierung war, ein Zeitalter der “Definitionen” im Sinne von Grenzziehungen, Vermessungen und Begradigungen. Wenden wir uns der arabischen Kultur und Literatur zu, so stoßen wir in diesem Zusammenhang auf mehrere Paradoxien und Seltsamkeiten. Zugespitzt passierte Folgendes: In den Ländern des Nahen Ostens wurden mit dem Ende des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg Nationalstaaten nach europäischen Muster geschaffen. Literaten waren - vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - bemüht, eine ägyptische, libanesische, syrische, irakische Nationalliteratur (und damit Identität) zu schaffen, während zugleich die panarabische Idee der Zusammengehörigkeit und der kulturellen Einheit der arabischen Welt als Gegenkraft ständig präsent war. Die transnationalen und transkulturellen Traditionen der Levante wurden, nicht zuletzt aufgrund des Nahost-Konfliktes, verschüttet. Heute wiederum redet man im Westen von Globalisierung, Transnationalität und Transkulturalität und weicht damit die eigenen strengen Kategorien des Nationalstaates und der nationalen Identitäten auf. Längst leben wir in einer real existierenden unrevidierbar polyzentrischen Welt.

 

“Ne buvez plus idiot buvez engage!” (“Trinkt nicht idiotisch, trinkt engagiert!”) lautet der Aufdruck auf dem Etikett des Softdrinks. Das mit Beginn des Ramadans 2002 angebotene “politisch korrekte” Getränk entwickelt sich zu einem Verkaufsrenner. Mit 1,50 Euro pro Flasche kostet “Mecca-Cola” etwas mehr als das amerikanische Original. 20 Prozent des Erlöses sind für wohltätige Zwecke bestimmt, davon zehn Prozent für humanitäre Projekte in Palästina.

dpa-Fotoreport

 

Transnationale und multinationale Lebensläufe  

Transnationale und multikulturelle Lebensläufe sowie “Patchwork-Identitäten” (Meyer 1997, S. 30) sind und waren im Vorderen Orient keine Seltenheit, wie die folgenden drei Beispiele von libanesischen Autorinnen zeigen: Etel Adnan wurde 1925 als Tochter einer griechischen Mutter und eines syrischen Vaters in Beirut im Libanon geboren. Mit ihrer Mutter sprach sie Griechisch, mit ihrem Vater Türkisch. Sie besuchte eine französische Schule im Libanon, wo es bei Strafe verboten war, Arabisch zu sprechen. 1949 ging Etel Adnan zum Studium nach Paris, 1955 zog es sie in die USA. Heute lebt sie als Malerin und Schriftstellerin in Beirut, Kalifornien und Paris. Ihre Werke schreibt sie in französischer und englischer Sprache (Neuwirth/ Pflitsch 2000, S. 28-30). “Wenn ich die Wahl gehabt hätte”, schrieb sie, “hätte ich gerne als Kavafis in Alexandria gelebt” (Adnan 1993, S. 75). 

Ein anderes Beispiel ist Andrée Chedid, die 1920 als Tochter libanesischer Eltern in Kairo geboren wurde und nach ihrer Schulausbildung in Frankreich zum Studium nach Ägypten zurückkehrte. Im Anschluss an ihr Studium lebte sie für einige Zeit im Libanon, seit 1946 lebt sie in Paris. Ihr in französischer Sprache verfasstes Werk gehört an Frankreichs Schulen zum Literaturkanon (Neuwirth/Pflitsch 2000, S. 65-68). Schließlich sei Claire Gebeyli genannt. Sie wurde in Alexandria als Tochter griechischer Eltern geboren. Ihre Schulausbildung absolvierte sie auf Griechisch, Französisch und Englisch bevor sie in Alexandria Sozialwissenschaften und in Athen Literaturwissenschaften studierte. Seit Anfang der 60er Jahre lebt sie als frankophone Journalistin und Schriftstellerin in Beirut (Neuwirth/Pflitsch 2000, S. 86-88). 

Die drei genannten Autorinnen lassen sich kaum überzeugend nach den gängigen Kriterien für Nationalliteratur einordnen (Pflitsch 2001). Sie sind Beispiele für levantinische, transnationale Biografien, wie sie für die Region nicht untypisch waren, bevor nationalstaatliche Grenzen und Rivalitäten zwischen den Staaten der Region die Identitäten verhärteten und monopolisierten. 

In der Tradition der geschilderten Biografien stehen auch jüngere, in den 1960er und 1970er Jahren geborene Autoren aus dem Libanon. Während Adnan, Chedid und Gebeyli jedoch späte Vertreterinnen einer pränationalen Levante sind, sind letztere Vertreter des postnationalen Nahen Ostens. Migration aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen führte sie nach Europa oder Amerika, wo sie ihrer pluralen Identitäten gewahr wurden. Solche pluralen, mehrdimensionalen Identitäten sind global gesehen längst keine zu vernachlässigenden Ausnahmen mehr: Wie wenig das weiterhin vorherrschende Prinzip des Nationalstaates noch greift wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass nach den herkömmlichen Kategorien von Ethnien, Nationen und Völkern knapp eine Milliarde Menschen “Minderheiten” angehören (Menzel 1998, S. 45). Die meisten von ihnen sind “ortspolygam” (Beck 1998, S. 127-135). 

Junge libanesische Autoren berufen sich nicht selten auf die levantinische Tradition, um im Zeitalter der Globalisierung und der “Ortspolygamie” die eigene Identität zu verorten. Sie verschließen sich dem Dogma, Identität und Zugehörigkeit sei notwendigerweise einheitlich und unwidersprüchlich (Maalouf 2000).

 

Gefüllte Tomaten und Political Correctness 

Da ist beispielsweise Tony Hanania, der 1964 in Beirut geboren wurde, in den siebziger Jahren ein Internat in England besuchte und in London Kunstgeschichte studierte, bevor er für Sotheby’s in Madrid und für die Tate Gallery in London arbeitete (Neuwirth/Pflitsch 2000, S. 102-109). In “Homesick” (1997), seinem ersten von inzwischen drei Romanen, schildert er die Kindheit eines aus dem Libanon stammenden Jungen namens Toby Shadrach in einem englischen Internat. Mit feiner Ironie beschreibt er, wie Toby mit den Erwartungen der Mitschüler konfrontiert wird, als diese erfahren, dass er aus dem Nahen Osten kommt. Zunächst halten sie ihn für einen Juden und als sie erfahren, dass auch Araber aus dem Nahen Osten kommen, bestürzen sie ihn mit Fragen: “‘Reitet dein Vater auf einem Kamel? Wie viele Frauen hat er?’ - (...) ‘Lebt er in einem Zelt?’ - ‘Putzt du dir deinen Hintern mit der Hand ab?’” (Hanania 1997, S. 21f.). Toby Shadrach lernt im Laufe der Zeit mit seinem orientalischen Pfund zu wuchern. Statt sich nur zu rechtfertigen, macht er sich interessant. Aus Vorurteilen schlägt er Vorteile und die Dummheit der Klischees lernt er in Überlegenheit umzumünzen, so etwa wenn er es schafft, sich um die verhassten gefüllten Tomaten im Internat zu drücken. Er behauptet, gerade derjenigen speziellen Gruppe innerhalb der Ostkirche anzugehören, die daran glaube, dass Eva Adam mit einer Tomate versucht habe. Der Lehrer zeigt allergrößtes Verständnis und verbietet gar in einem Akt politischer Korrektheit den anderen Schülern in Gegenwart von Toby überhaupt von Tomaten zu sprechen (Hanania 1997, S. 16). 

England ist für den Adoleszenten Toby Shadrach in Hananias Roman schlicht enttäuschend. Er steht nicht in Ehrfurcht erstarrt und mit Minderwertigkeitskomplexen behaftet vor dem überlegenen Westen, wie es für einen großen Teil früherer arabischer Literatur so bezeichnend war. Er empört sich auch nicht in der Art, wie wir es bei Sonallah Ibrahim gesehen haben. Es ist ein augenzwinkerndes, unaufgeregtes Selbstbewusstsein, dass uns aus den Texten der jungen libanesischen Autoren wie Hanania entgegenschlägt, eine selbstbewusste Identität, die ohne Abgrenzungsreflex auskommt. Stattdessen wird die Manie der Abgrenzung, der Impuls der Identitätszuschreibung selbst ironisiert und subversiv entlarvt, etwa in Hani Hammouds Roman “L’Occidentaliste” 149 (1997). Hier reist ein junger Libanese zum Studium in die USA und berichtet von der ihm dort entgegenschlagenden Ignoranz und Selbstbezogenheit. Der orientalisierende Blick des Exotismus wird umgekehrt: Als ihn etwa eine Amerikanerin auf dem Festakt zum amerikanischen Nationalfeiertag wohlmeinend fragt, ob man im Libanon auch den 4. Juli feiere, antwortet er: “Jawohl, Madame. Aber wir feiern ihn am fünften, wegen der Zeitverschiebung” (Hammoud 1997, S. 67). Die jungen Autoren sehen deutlich, dass der (westliche) Kaiser gar keine Kleider anhat: “Uns war erzählt worden, dass die Stadt einst die Hauptstadt des ganzen christlichen England gewesen sei, der Sitz legendärer Kriegerkönige, aber alles was ich gesehen hatte, war eine ungemütliche Hauptstrasse und ein paar Jungs mit langen Haaren und albernen Revers, die draußen vor dem ‚Wimpy‘ im Nieselregen saßen und rauchten” (Hanania 1997, S. 27). 

 

Kulturelle Globalisierung oder exklusive Unterscheidung? 

Welche Relevanz, welche Konsequenzen haben diese Beobachtungen für unsere Konzeption von kultureller Globalisierung? Welche Perspektiven tun sich auf vor dem Hintergrund der doppelten Interpretation kultureller Globalisierung als Akt neokolonialistischer Vereinnahmung einerseits und als Chance postkolonialer Emanzipation andererseits? 

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat Ulrich Beck im SPIEGEL für eine transnationale Perspektive zukünftiger Politik plädiert. Eine “neue Ära transnationaler und multilateraler Kooperationen”, schreibt er, breche in der Folge der Anschläge an, die schließlich, so folgert er optimistisch, zur Bildung von “kooperativen Transnationalstaaten” führen werde (Beck 2001, S. 56). 

So wie die verschiedenen Aspekte der Nationalliteratur für die Selbstvergewisserung von Nationen eine entscheidende Rolle gespielt haben (und noch spielen), so kann eine den Erfordernissen der globalen Welt gerecht werdende Transnationalität ihren Ausdruck in einer transnationalen Literatur finden. Diese Literatur würde sich durch ein gewisses Maß an Überzeugung von der Tatsache auszeichnen, dass Identitäten immer mehrdimensional sind, nationale Identität das Ergebnis einer stark ideologisch durchsetzten Konstruktion ist, und dass gerade die der Literatur innewohnende Fähigkeit, eindimensionale Identitätskonstruktionen aufzubrechen, aufklärerische Potenziale birgt. Die der Literatur eigene Fähigkeit zu Mehrstimmigkeit befähigt sie zu dem, was in der Theorie der kulturellen Globalisierung inklusive Unterscheidung genannt wird, im Gegensatz zur Logik des Entweder-Oder der exklusiven Unterscheidung. Ulrich Beck spricht in diesem Zusammenhang von einem “kooperativen Begriff von ,Grenze’” (Beck 1998, S. 95). Grenzen sind dann, das lässt sich für einen großen Teil der zeitgenössischen arabischen Literatur zeigen, weniger Hindernisse als Möglichkeiten. Transnationalliteratur ist also keine vulgäre Vermischung oder Verwässerung von Unterschieden, sondern das gemeinsame Dach, unter dem diese Unterschiede gelebt, verhandelt und kultiviert werden können.

 

 “West-Östliche Fundamentalismen”

Die Globalisierung wäre literaturhistorisch als ein Prozess der (Re-)Heterogenisierung zu verstehen, die die für das 19. und 20. Jahrhundert so typischen Homogenisierungsbestrebungen des Nationalismus in sprachlicher, ethnischer, religiöser und kultureller Hinsicht rückgängig macht. Auf dieser Art diskursiver “Begradigung” fußt nicht zuletzt ein Konzept von Identität, wie es für die gesellschaftlichen wie literarischen Fragestellungen bis heute zentral ist und ohne das Phänomene wie der Islamismus oder auch Samuel Huntingtons These vom “Clash of Civilizations” undenkbar wären. Die fundamentalistische Konstruktion kultureller Identität - wohlgemerkt auch und nicht zuletzt in den westlichen Gesellschaften - hat Thomas Meyer treffend als “Identitätswahn” bezeichnet (Meyer 1997; 2002). Das Denken in Kategorien festgefügter und abgrenzbarer Identitäten versteckt sich noch in gutgemeinten Ideen wie dem “Dialog der Kulturen”, der davon ausgeht, das es diese deutlich voneinander abgrenzbaren kulturellen Einheiten gebe (Kermani 2003, S. 5). 

 

Verhandlung von Differenz als Aufgabe der Literatur

Der (transnationalen) Literatur käme wieder eine ihrer vornehmsten Aufgaben zu: Die Verhandlung von Differenzen, die das Gegenteil der Festschreibung von Andersheit ist. 

Die Entscheidung über den künftigen Weg der globalisierten Weltgesellschaft steht noch aus. Die defensive und die offensive Reaktion auf kulturelle Globalisierung lässt sich konkret mit fundamentalistischen Bewegungen auf der einen Seite und der “offenen Gesellschaft” auf der anderen Seite in Verbindung bringen. Fundamentalistische Bewegungen sind dabei eben nicht nur in den verschiedenen Spielarten des Islamismus zu sehen, sondern ebenso in Phänomenen wie der “Festung Europas”, in den Wahlerfolgen ethno-nationaler Fundamentalisten wie Jörg Haider und Pim Fortuyn, in der Rede von der deutschen “Leitkultur” (Friedrich Merz) oder auch in der weltweiten Tendenz zur Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte im Rahmen des sogenannten Kampfes gegen den internationalen Terrorismus (Meyer 2002, S. 153, 223; Pawelka 2002, S. 448). Die offene, multiethnische und plurale Gesellschaft mag als Ideal in den westlichen Gesellschaften konsensfähig sein. Realität ist sie hingegen (noch?) nicht. Sie hat sich zu wehren gegen die Politisierung der kulturellen Differenz, die in den islamisch geprägten Gesellschaften wie in der westlichen Welt als Gefahr eher zu- als abnimmt und die Thomas Meyer sehr deutlich als “aufs Ganze gesehen ein selbstmörderisches Unterfangen für alle” bezeichnet (Meyer 2002, S. 31). 

Wenn wir uns also an die Menschen des Vorderen Orients wenden, um mit ihnen über die Globalisierung zu reden, über Transkulturalität, Transnationalität und über Patchwork-Identitäten, könnten diese durchaus fragen: “OK. Was wollt ihr wissen?” Dann sollten wir nicht zuletzt im eigenen Interesse zuhören. Denn etwas mehr “Levante” würde uns wohl nicht schaden.         

Literaturhinweise 

Aciman, A.: Out of Egypt. New York 1994 Adnan, E.: Paris, when it’s naked. Sausolito 1993 

Albrow, M.: Abschied vom Nationalstaat. Frankfurt/M. 1998 

Alcalay, A.: After Jews and Arabs. Remaking Levantine Culture. Minneapolis 1993 

Anderson, B.: Imagined Communities. Reflections on the Origins and Spread of Nationalism. London 1983 

Badawi, M.M.: Perennial Themes in Modern Arabic Literature. In: British Journal of Middle Eastern Studies, 20/1993, S. 3-19 Barber, B. R.: Jihad vs. McWorld. New York 1995 

Beck, U.: Der kosmopolitische Staat. In: Der Spiegel, 42/2001, S. 54-56 

Beck, U.: Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus - Antworten auf Globalisierung. Frankfurt/M. 1998 

Fähndrich, H.: Aspekte des Westens in Werken der modernen arabischen Literatur. In: Harth D.: Fiktion des Fremden. Erkundungen kultureller Grenzen in Literatur und Publizistik. Frankfurt/M. 1994, S. 303-318 

Geary, P. J.: Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen. Frankfurt/M. 2002 

Griffel, F.: Globalization and the Middle East: Part Two. In: Yale Global Online, 21.1.2003 

Guth, S.: Zeugen einer Endzeit. Fünf Schriftsteller zum Umbruch in der ägyptischen Gesellschaft nach 1970. Berlin 1992 

Hanania, T.: Homesick. London 1997 Hammoud, H.: L’Occidentaliste. Beirut 1997 

Hobsbawm, E. J.: Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. München 1998 

Huntington, S. P.: Clash of Civilization? In: Foreign Affairs, 3/1993, S. 22-49 Ibrahim, S.: Der Prüfungsausschuss. Übers. von Hartmut Fähndrich. Basel 1987 

Keely, E.: Cavafy’s Alexandria. Princeton 1996 

Kermani, N.: Das heilige Phantasma. In: Die Zeit, 2/2003, S. 5 

al-Kharrat, E.: Les deux Alexandrie. In: Qantara, 18/1996, S. 57-59 

al-Kharrat, E.: Random Variations on an Autobiographical Theme. In: Ostle, R./de Moor, E./Wild, S.: Writing the Self. Autobiographical Writing in Modern Arabic Literature. London 1998, S. 9-17 

Maalouf, A.: Mörderische Identitäten. Frankfurt/M. 2000 

Menzel, U.: Globalisierung versus Fragmentierung. Frankfurt/M. 1998 

Meyer, T.: Identitäts-Wahn. Die Politisierung des kulturellen Unterschieds. Berlin 1997 

Meyer, T.: Identitätspolitik. Vom Missbrauch kultureller Unterschiede. Frankfurt/M. 2002 

Moreh, S.: Traditionelle und neue Formen der Dichtung in der Gegenwart. In: Grundriß der Arabischen Philologie. Bd. II: Literaturwissenschaft. Wiesbaden1987, S. 89-95 

Neuwirth, A./ Pflitsch, A.: Agonie und Aufbruch. Neue libanesische Prosa. Beirut 2000 

Osterhammel, J.: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen. München 2001 

Pannewick, F.: Das Wagnis Tradition. Arabische Wege der Theatralität. Wiesbaden 2000 

Pawelka, P.: Der Staat im Vorderen Orient: Über die Demokratie- Resistenz in einer globalisierten Welt. In: Leviathan, 4/2002, S. 431-454 

Pflitsch, A.: Literatur, grenzenlos. Aspekte transnationalen Schreibens. In: Szyska, C./Pannewick, F.: Genres Between Cultures. Wiesbaden 2003 (im Druck) 

Pflitsch, A.: Die libanesische Literatur. Über die Schwierigkeit des Versuchs ihrer Definition. In: Beiruter Blätter, 8/9-2001, S. 115-119 

Pflitsch, A.: Gegenwelten. Zur Literaturtheorie Idwar al-Harrats. Wiesbaden 2000a 

Pflitsch, A.: Konstruierte Wirklichkeiten. Die zeitgenössische arabische Literatur, der Radikale Konstruktivismus und die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht. In: Klemm, V./Gruendler, B.: Understanding Near Eastern Literatures. A Spectrum of Interdisciplinary Approaches. Wiesbaden 2000b, S. 59-71 

Sartorius, J.: Alexandria. Fata Morgana. Stuttgart, München 2001 

Schlaffer, H.: Die kurze Geschichte der deutschen Literatur. München, Wien 2001 

Wielandt, R.: Das Bild der Europäer in der modernen arabischen Erzähl- und Theaterliteratur. Beirut 1980


 

 


Copyright ©   2003  LpB Baden-Württemberg   HOME

Kontakt / Vorschläge / Verbesserungen bitte an: lpb@lpb-bw.de