Zeitschrift


Nachhaltige Entwicklung

 

Heft 2/98

Hrsg: LpB

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Inhaltsverzeichnis

 


 

Vorwort


Was Nachhaltigkeit bedeutet, weiß jeder Forstmann: nämlich daß er nicht mehr Holz schlagen darf, als seit dem letzten Mal nachgewachsen ist. Entsprechend bedeutet Nachhaltige Entwicklung, daß für unser Wirtschaften und unseren Lebensstandard nur solche Ressourcen genutzt werden sollten, die nach wachsen, erneuerbar sind. Das gilt für Rohstoffe genauso wie für Energieträger. Nicht nach wachsende Ressourcen sollen allenfalls so lange genutzt werden - und dann so effizient wie möglich ; bis ein erneuerbarer Ersatz gefunden und nutzbar gemacht worden ist. Bei spiel sind die fossilen Energieträger wie Kohle und Erdöl, die langfristig durch Wasser- oder Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse er setzt werden sollten. Nachhaltige Entwicklung bedeutet auch, bei Schadstoffeinträgen in die Umwelt die natürliche Reinigungskraft nicht zu überschreiten.

Das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung zeigt mithin eine Richtung an, ist ein ethisches Leitbild. Es beurteilt unsere Welt auch von den Ansprüchen künftiger Generationen her. Mehr noch: Es will ganz bewußt sozial verankert sein und global die Ansprüche der Menschen aller Länder miteinbeziehen, mithin auch die Menschen in den Entwicklungsländern, denen der selbe Anspruch auf einen hohen Lebensstandard zugebilligt wird. Nachhaltige Entwicklung erhebt den Anspruch, ein realistisches Konzept zu sein, das gesellschaftlich konsensfähig ist. Es will kein Aufruf zur Askese sein, zum Zurückschrauben unseres Lebensstandards, unserer Bedürfnisse. Und es ist kein Konzept der Technikfeindlichkeit. Nachhaltige Entwicklung ist auch ein Appell an die Innovationsbereitschaft unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Sie setzt auf den Wettbewerb, auf das Unternehmertum, auf die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft. Das 3-Liter-Auto ist ein Beispiel dafür. Das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung stellt einen Paradigmenwechsel in der Umweltdiskussion und der Umweltpolitik dar.

Nachhaltige Entwicklung bedeutet aber auch ständige Reflexion unserer Bedürfnisse. Was heißt z. B. Mobilität, und wie läßt sie sich optimal befriedigen, auch ohne Auto? Wie muß moderne Stadtplanung aussehen, die weite Wege überflüssig macht? Wie können menschliche Prestigebedürfnisse befriedigt werden, ohne daß das mit hohem Verbrauch von Umweltgütern verbunden wird ? Welche Impulse muß Politik geben, um eine Nachhaltige Entwicklung zu befördern ? Welche Hindernisse stellen sich einer Nachhaltigen Entwicklung entgegen und wie können sie überwunden werden? Dafür braucht es Modellversuche, gerade auch lokale Initiativen.

Wenig reflektiert ist bislang in der Diskussion um eine Nachhaltige Entwicklung der Bereich der Arbeit, mit der der Mensch ständig in die Umwelt eingreift, ganz gleich ob sie als Fabrik arbeit oder als Arbeit auf Gegenseitigkeit, ob im Beruf oder in der Freizeit geleistet wird. Ganz abgesehen davon, daß im Konfliktfall Arbeitsplatz oder Umweltschutz die Prioritäten zumeist eindeutig ausfallen.

Nachhaltige Entwicklung stellt hohe Ansprüche an Bildung und Erziehung. Denn Nachhaltige Entwicklung ist eine Strategie, die mit den Menschen entwickelt und verfolgt werden muß. Dabei gilt es auch, Strategien zu entwickeln, die den Weg vom Bewußtsein zum Verhalten weisen. Hier ist auch die politische Bildung gefragt.

Hans-Georg Wehling