Zeitschrift Der Bürger im Staat Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Medizin - Naturwissenschaft - Technik
Heft 3/2000 , Hrsg.: LpB |
Probleme mit der Miniaturisierung
Der Computer der Zukunft Wann und wie es im Chip zum Kurzschluss kommt – und wie die Forscher das Problem lösen wollen Von Klaus Herbst
Auf dem Wege zu immer kleineren und leistungsfähigeren Chips ist heute das Ende des Silizium-Zeitalters absehbar. Nach neuen Möglichkeiten muss gesucht werden, nach neuen Anordnungen in der Speicherung quasi als Ausweg, sowie nach neuen Materialien. Die Erfolge sind vielversprechend. Red. Bald vorbei mit immer kleineren und leistungsfähigeren Chips Während Millionen Rechner Tag und Nacht gewaltige Datenmengen verarbeiten,
Nutzer weltweit Multimedia-Anwendungen genießen und während
die ersten E-Commerce-Unternehmen vor der Pleite stehen, da denkt ein japanischer
Computerexperte über die Zukunft nach und zeichnet ein Szenario für
das neue Jahrhundert, das unsere von Informationstechnologie geprägten
Welt das Fürchten lehrt: In einer ersten Phase erwartet Hiroshi Iwai
vom Tokioter Institute of Technology noch Fortschritte bei der Softwareentwicklung,
setzt auf höhere Computerintelligenz und ein wachsendes Kommunikationsaufkommen
sowie auf mehr mobile und persönlichere Computer. In einer zweiten
Phase sollen sich dann die Rechnerstrukturen an biologische Vorgänge
angleichen. Doch bald schon werde es dabei gravierende Probleme geben:
Die Grenze des so genannten Downsizing, der Miniaturisierung soll schon
bald erreicht sein. Die Lithographie, die traditionelle fototechnische
Art der Chipherstellung, wird mit immer kleineren Chipstrukturen nicht
mehr fertig. Iwai sieht nur einen Ausweg aus der technologischen Sackgasse:
ganz neue Materialien für den Computer der Zukunft.
Denn die Erfolgsstory des Silizium geht zu Ende Schulz erklärt die Vorgehensweise der US-Forscher. Sie untersuchen
die quantenmechanischen, elektronischen Zustände an der Grenzfläche
des Isolators und im Isolator selbst. Sie messen diese durch Abtasten mit
Spektroskopie, wie man das auch in der Optik macht – dort ist es die Farbe
des Lichts, hier ist es die Energie der elektronischen Zustände in
einem Festkörper. Ein Kondensator kann eine Ladung, die gesteuert
werden soll, nur speichern, wenn es keinen Kurzschluss zwischen zwei Kondensatorplatten
gibt. Die Kapazität dieses Kondensators wird immer größer,
je dünner der Plattenabstand wird. Wenn es aber so dünn wird,
dass es einen Kurzschluss gibt, dann bricht die Ladung zusammen, und man
kann in dem Feldeffekttransistor keine Leitfähigkeit mehr steuern.
Die Entwicklung ist also vorgezeichnet. Wenn die dünnen sogenannten
Gate-Oxide aus Siliziumdioxid unter Spannung durchbrechen, so dass noch
dünnere Oxide nicht mehr für elektronische Bauelemente verwendet
werden können, dann droht der Erfolgsstory des Siliziums ein jähes
Ende.
Auf der Suche nach tauglichen Alternativen Die Cracks, die absoluten Experten auf diesem Gebiet, müssen sich also nach tauglichen Alternativen umschauen. Davon gibt es bereits einen ganzen Bauchladen skurriler und seriöser Konzepte. Ganz andere Alternativen sind sogenannte DNS-Computer, Biocomputer, 3-D-Chips, optische Rechner sowie Ferroelektrika als Siliziumersatz. Ferroelektrika sind – jedenfalls zur Zeit – noch nicht tauglich. Sie sind bei weitem nicht so fehlerfrei wie das gute, alte Silzium. Geeignete Materialien mit einer besseren dielektrischen Konstante, einer stärkeren Isolationswirkung und so pflegeleicht wie Silizium, sind noch längst nicht gefunden. Das Ferroelektrikum Tantalpentoxid zum Beispiel hat viel schlechtere Materialeigenschaften in punkto Defektfreiheit und Durchbruchfestigkeit. In diesem Zusammenhang kommt auch Kunststoff zu neuen Ehren: Materialforscher am Philips-Forschungszentrum in Eindhoven (NL) haben den ersten komplett aus Kunststoff bestehenden integrierten Schaltkreis gebaut. Auf einem Polyamid-Wafer werden 326 Transistoren untergebracht. Für Halbleitermaterial und die Isolation wird ein Kunststoff verwendet, die Elektroden bestehen aus einem organischen Metall. Für die Transistorstrukturierung wurde auf die herkömmliche Lithographie zurückgegriffen. Der Plastikchip ist mit 30 Bit pro Sekunde allerdings noch sehr langsam. Sein Vorteil aber ist die einfache Fertigung. Dreidimensionales Speichern als Ausweg Wenn schon die Materialforschung nicht die baldige Lösung liefert,
dann kann man das Miniaturisierungslimit auf die sanfte Tour umgehen, hoffen
die Experten. Mit Software wollen sie das Hardwaredefizit ausgleichen.
Außerdem sollen Hardwarekomponenten auf dem Chip intelligenter miteinander
verschaltet werden.
Optische Rechner? Ein mögliches Konzept sind optische Rechner. Die schnellsten Datenleitungen
übertragen keine Elektronen sondern Photonen, Lichtquanten. Die Wechselwirkungen
zwischen Photonen sind ganz anders als zwischen Elektronen, und so würden
optische Rechner neue Möglichkeiten bieten, glaubt der Physiker Ekkehard
Peik vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. Zwar wird
am Konzept der optischen Rechner schon seit Mitte der achtziger Jahre gearbeitet,
aber die Forscher erwarten, dass diese auf sehr spezielle Anwendungen beschränkt
bleiben: hauptsächlich auf Bildverarbeitung, das Vergleichen von Bildern
beispielsweise. Um Computer miteinander zu vernetzen, ist Licht besonders
geeignet. Die Technik der Datenübertragung über Glasfaserkabel
mit Licht ist bereits fest etabliert, entwickelt sich rasant, getrieben
durch das schnell wachsende Internet, das große Übertragungsraten
verlangt. Aber komplette optische Rechner haben sich im Labor als zu groß
erwiesen und sind bereits von der fortschreitenden Miniaturisierung überholt
worden.
Mit den Körperzellen von Schlammschnecken Computerchips bauen? Dass man beispielsweise mit Hilfe der Körperzellen von Schlammschnecken neue Computerchips bauen könnte, glauben einige Wissenschaftler. Hier und da gibt es entsprechende Experimente. Man geht davon aus, dass sich die Zellen der Schnecken, legt man eine Spannung an, zusammenziehen und sich also als elektrische Schalter verwenden lassen könnten. Das hätte sicherlich Vorteile, Rechnern eine neuartige Schnittstelle zum menschlichen Körper zu geben. Biologische Chips könnten sich bei der Signalübertragung von Nervenreizen einspannen lassen, zum Beispiel in der Neuroprothetik. Dort ist es ein vielversprechendes Ziel, die Funktion künstlicher Organe stark zu verbessern. Dabei setzen die Forscher auf dem menschlichen Gehirn nachempfundene Neuronale Netze, bessere Software und eben auch auf Materialien aus der Natur. Dass aber ein vollständiger Computer aus Schneckenchips zu bauen sei und dass der auch noch schnell sein soll, damit rechnet wohl niemand ernsthaft. Vorgänge der Natur simulieren Begriffe wie Biocomputing und Chemical Computing führen leicht in die Irre. Denn sie suggerieren, es werde Computer geben, in denen biologische Substrate oder chemische Verbindungen Rechenoperationen ausführen. Tatsächlich verbirgt sich dahinter etwas anderes: eine hochaktuelle Technologie. Es geht um Software, beispielsweise der amerikanischen Chemical Computing Group (CCG). Die Software nennt sich Molecular Operating Environment (MOE). Sie erlaubt es, chemische und auch biologische Abläufe, also Vorgänge der Natur zu simulieren. Ein Stück Natur ist sozusagen auf die CD-ROM gebrannt. Solches Know How erlöst die Menschheit von Krankheiten – und die Pharmaindustrie von zusätzlichen Kosten. Die Technologie dient beispielsweise dem Screenen, der systematischen Suche nach neuen wirksamen Substanzen, was im Erfolgsfall in neue Medikamente mündet. Tierversuche werden so eingespart. Aber chemisch arbeitende Computer sind es nicht. Gleiches gilt für sogenannte DNA-Chips. Nicht das Erbgut rechnet – sondern Chip-ähnliche Gebilde explorieren das Erbgut. Gestapelte Chips Sogenannte 3-D-Chips sind bereits Wirklichkeit, obwohl heute noch die
meisten Schaltkreise zweidimensional konstruiert sind. Weil die Chiphersteller
Platz sparen wollen und müssen, sind sie schon vor Jahren auf die
Idee gekommen, mehrere Prozessoren übereinander zu stapeln. Auf diese
Weise sind so genannte Stacked Chips, gestapelte Chips, entstanden. Wäre
ein Rechner vollständig mit solchen Chips ausgerüstet, würde
er also komplett in 3-D arbeiten, ist zu erwarten, dass sich seine Leistungsfähigkeit
wesentlich steigert.
Ein Quantencomputer könnte parallel statt nacheinander rechnen Zum gegenwärtigen Stand gibt es glücklicherweise eine neuartige
Technologie, der man mit einigem Recht größtmögliche Chancen
zusprechen darf, mittel- und langfristig Silizium zu ersetzen – zumindest
bei manchen Anwendungen. Das ist der sogenannte Quantencomputer. Sein Hauptvorteil:
Er wäre in der Lage, besonders viele Rechenoperationen parallel, zur
gleichen Zeit also, auszuführen, Aufgaben, die ein herkömmlicher
Rechner vergleichsweise umständlich, nacheinander nämlich, abarbeitet.
Ein Quantenbit, das sogenannte Qubit, könnte zusätzlich zu den
beiden bekannten Zuständen offen oder geschlossen, null oder eins,
die unsere binäre Welt ausmachen, noch eine Überlagerung beider
Zustände schaffen. Könnte man gar mit zehn Bits arbeiten, dann
hätten wir einen Gewinn von Tausend gegenüber konventionellen
Rechnern.
Ein bahnbrechender Erfolg ist gelungen Gerade ist es auf dem Gebiet der Quantencomputer sogar zu einem bahnbrechenden
Erfolg gekommen. Was Forscher vom Institut für Organische Chemie und
Biochemie II der Technischen Universität München, vom Institut
für Organische Chemie der Universität Frankfurt und Experten
des Karlsruher Technologiehauses Bruker Analytik geschafft haben, bezeichnen
Experten als Weltsensation. Die Forscher haben zum ersten Mal fünf
Atome in einer Lösung zu einem Molekül verknüpft, zu einem
sogenannten Designermolekül, das der Frankfurter Chemiker Raimund
Marx geschaffen hat. Jedes einzelne seiner fünf Atome, ein Wasserstoff-,
ein Stickstoff-, ein Fluor und zwei Kohlenstoffatome, trägt die Information
eines Bits. Die Münchener, Frankfurter und Karlsruher Experten haben
also den weltweit größten Quantencomputer gebaut, den weltweit
ersten Quantencomputer mit fünf Qubits.
Die Schnelligkeit erlaubt ganz neue Rechenoperationen Der neue Quantencomputer kommt viel schneller ans Ziel. Das haben erste
Testrechnungen bewiesen. Dazu verwendeten die Macher einen der einfachsten
Quantenalgorithmen, den seit 1992 bekannten sogenannten Deutsch-Jozsa-Algorithmus.
Dieser ist – stark vereinfacht beschrieben – in der Lage, mit Hilfe der
fünf Qubits bestimmte Unterscheidungen zu treffen. Man könnte
zum Beispiel die Echtheit eines Mark-Stückes daran erkennen, dass
auf der einen Seite der Münze die Zahl eins eingepresst ist und auf
der anderen der Bundesadler. Ein solches Objekt wäre höchstwahrscheinlich
eine echte Münze. Besäße aber ein vermeintliches Mark-Stück
auf beiden Seite eine Zahl oder auf beiden Seiten einen Adler, dann wäre
es – weitere Mängel unbesehen – mit Sicherheit Falschgeld.
Spürhunde in gigantischen Datenmengen Der Algorithmus von Grover, dient zur Listensuche, taugt also Spürhund
in gigantischen Datenmengen. Das ist längst nicht das Ende der Fahnenstange
für mögliche Anwendungen, da sind sich die Forscher absolut sicher.
Aber es sind eben die bislang bekanntesten Algorithmen, welche Quanteneffekte
ausnutzen. Nun ist es ein aktueller Forschungsgegenstand, weitere Algorithmen
zu entwickeln.
Rasante Entwicklung Längst hat der Computer auch in die Werkhallen Einzug gehalten. Dreher und Schlosser arbeiten an CNC-Maschinen, Lagerarbeiter müssen Zu- und Abgänge im Computer erfassen. Jeder dritte Industriearbeiter hat heute mit dem Computer zu tun; von den Arbeitern, die Maschinen und Anlagen montieren und warten, sind es sogar 58 Prozent. Im Büro und in der Verwaltung ist die Arbeit ohne PC heute nicht mehr denkbar. Dort arbeiten 93 Prozent der Arbeitnehmer zumindest ab und zu am Computer. Selbst Landwirte und Gärtner wollen nicht mehr ohne PC arbeiten: 27 Prozent können einen Computer nutzen. Insgesamt kommen fast zwei Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland mit Tastatur und Monitor in Kontakt. Eine rasante Entwicklung: Vor einer Generation – damals liefen die Großrechner noch mit Lochkarten – arbeitete nur eine Minderheit von 14 Prozent mit dem Computer. |
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