Zeitschrift

Bildungspolitik




Heft 4/97

Hrsg.: LpB

 

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Inhaltsverzeichnis

 


Die gegenwärtige Finanznot als Chance

Wie kann ein leistungsfähiges Bildungssystem finanziert werden?

Eine kritische Bestandsaufnahme der Bildungsfinanzierung in Deutschland

Von Gisela Färber


Prof. Dr Gisela Färber ist Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftliche Staatswissenschaften, insbesondere Allgemeine Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. Das schützt sie nicht vor dem Rotstift in Zeiten knapper Haushaltsmittel. Darin besteht aber zugleich die Chance, Effektivität und Effizienz der Bildungsausgaben zu überprüfen, ja überhaupt erst einmal sich einen Überblick zu verschaffen über die Kosten, die das Bildungssystem verursacht, angefangen von den Vorschuleinrichtungen bis hin zu den Hochschulen als besonders teuren Bildungseinrichtungen. Des weiteren muß dann die Frage gestellt werden nach den politischen Prioritäten und den sinnvollen Weichenstellungen für die Zukunft, einschließlich der Frage, wie ein leistungsfähiges Bildungssystem finanziert wer den kann: In welchem Umfang sind die öffentlichen Kassen gefordert und mithin die Gesamtheit der Steuerzahler - und in welchem Umfang können - und müssen die Nutznießer höherer Bildung herangezogen werden? Denn unter den gegenwärtigen Verhältnissen findet in unserem Bildungssystem eine Umverteilung von unten nach oben statt. Der Autorin schwebt u. a. eine Art Generationenvertrag vor zwischen denen, die mit ihrem Gehalt und der stärkeren Arbeitsplatzsicherheit Nutznießer höherer Bildung sind, und denen, die selbst in der Ausbildung begriffen sind. Red.

Der drittgrößte Ausgabenblock in den öffentlichen Haushalten

In Anbetracht der allerorten nun schon seit einigen Jahren herrschenden Finanznot in den öffentlichen Kassen kann niemand ernsthaft davon ausgehen, daß der öffentliche Bildungshaushalt von schmerzhaften Einschnitten verschont bliebe. Daß die davon betroffenen Interessengruppen Maßnahmen zur Gegen wehr ergreifen, ist nicht verwunderlich. Im Schulbereich konnten sie vorübergehend sogar noch zusätzliche Planstellen durchsetzen. Ein Ausweg aus dem frustrierenden Beharren auf Unerfüllbarem schien sich aber anzudeuten, als im Herbst 1995 der damalige Vorsitzende der GEW, Dieter Wunder, die Finanznot auch als Chance für Bildungsreformen ansah. Es könne gegenwärtig nicht darum gehen, sagte er, "... Geld für Reformen zu bekommen, sondern zu fragen, welche Re formen . . . für das vorhandene Geld möglich (sind)?"'

Zwei Schlüsselbegriffe waren somit auch offiziell zusammengebracht worden: Einerseits wurde der Reformbedarf im Bildungswesen betont, andererseits aber auch konzediert, daß die staatliche Finanzierung weiter Teile des Bildungswesens in Anbetracht der sich auf Billionenbeträge aufsummierenden finanzpolitischen Sünden der Vergangenheit nicht mehr in der gleichen Üppigkeit weitergehen kann. Mit knapp 9 % der bereinigten Aus gaben aller Gebietskörperschaften stellt das Bildungswesen nach der sozialen Sicherung und der allgemeinen Finanzwirt schalt den drittgrößten Ausgabenblock in den öffentlichen Haushalten dar.

Ob dies zu wenig oder zu viel ist, läßt sich kaum an der Schüler-Lehrer-Relation und ähnlichen Indikatoren messen, die den Gegenstand politischer Unzufriedenheit ausmachen. Es ist vielmehr erforderlich, zunächst auf einer analytischen Basis zu klären, was im deutschen Bildungswesen staatliche Aufgabe bzw. Gegenstand staatlicher Produktion und Subventionierung sein und was aus "privaten" Quellen finanziert werden sollte. Desweiteren muß für den Teil des Bildungssystems, für den der Staat auch die "Produktion" übernimmt - in Deutschland ist dies der überwiegende Teil der Schulen und Hoch schulen sowie der Mehrzahl der Kinder gärten -, eine Auseinandersetzung mit den Problemen von sog. bürokratischen Organisation erfolgen, ihre Leistungen vom Umfang und von den Produktionskosten her effizient anzubieten. Eine kritische Bestandsaufnahme des derzeit betriebenen Systems der Bildungsfinanzierung in Deutschland vor dem Hintergrund dieser normativen Kriterien gibt Hinweise auf Verletzungen der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion. Den Abschluß bilden einige exemplarische Reformvorschläge, wie das System der Bildungsfinanzierung den Anforderungen einer modernen Gesellschaft unter dem Anpassungsdruck der offenen Weltmärkte gerecht werden könnte. Bildungsfinanzierung wird vor diesem Hintergrund als der finanzielle Rahmen verstanden, in dem der Aufbau von Humankapital unter effizientem Ressourceneinsatz bewerkstelligt werden soll. Das Bildungssystem umfaßt dabei entsprechend auch internationaler Konventionen die vorschulische Bildung, die primäre und sekundäre Schulausbildung sowie den tertiären Bereich, der in Form beruflicher Bildung und verschiedener Formen des Hochschulstudiums die berufsqualifizierende Ausbildung junger Menschen zum Gegenstand hat. Art und Umfang privater Beteiligung an den Kosten sind dabei genauso zu prüfen wie die Rahmenbedingungen, unter denen die Bildungsinstitutionen selbst wirtschaften. Es geht damit um einen äußerst komplexen Bereich, der allerdings selten aus einer - ökonomischen - Gesamtperspektive betrachtet wird.

Mit insgesamt 242 Mrd. DM Bildungsausgaben steht Deutschland gar nicht so schlecht da

1995 wurden für Bildung und Ausbildung - ohne die unzureichend erfaßten Aufwendungen der betrieblichen Weiterbildung - rund 242 Milliarden DM, exakt 7 des Bruttoinlandsprodukts ausgegeben. Mit 177,5 Mrd. DM nahmen die öffentlichen Bildungsausgaben den größten Anteil ein. Unter Einbeziehung der in der Finanzstatistik noch getrennt ausgewiesenen Versorgungsausgaben für Beamte entfielen davon wiederum 97,5 Mrd. DM auf die Schulen, 50,7 Mrd. DM auf die Hochschulen, 16,9 Mrd. DM auf die Kindergärten und 12,4 Mrd. DM auf die Förderung des Bildungswesens und sonstige Zwecke (vgl. Abb. 1).

Vergleichsweise gering nehmen sich da neben die Ausgaben der privaten Wirtschaft für die Lehrlingsausbildung und die der Bundesanstalt für Arbeit für berufliche Bildung aus. Sie summieren sich ihrerseits auf 38,1 Mrd. DM oder 1,1 % des BIP im Jahr 1995 auf. Die öffentlichen Haus halte von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Sozialversicherungen subventionieren darüber hinaus Leistungen an Studierende in der Größenordnung von 26,5 Mrd. DM, die in der Finanzstatistik nicht den Bildungsausgaben zugeordnet sind oder erst gar nicht erfaßt werden. Es handelt sich bei diesen sonstigen Leistungen, die an ein Studium anknüpfen, um Transfers und Steuer- bzw. Beitragsmindereinnahmen, die den Studierenden und ihren Eltern unter anderen Etiketten gewährt werden. Die wichtigsten Beispiele für diese Art von Leistungen sind das Kindergeld und die Steuerfreibeträge für studierende Kinder, Rentenansprüche für Ausbildungszeiten, Kinderortszuschläge im öffentlichen Dienst, vergünstigte Krankenkassenbeiträge, Beihilfeleistungen und vieles andere mehr, mit dem das Studium letztendlich verdeckt subventioniert wird.

 

1995 Mrd. DM in v.H.
des BIP
Empfänger
in Tsd.
DM je Empf.
         
Öff. Bildungsausgaben 177,5 5,13    
davon: Kindergärten 16,9 0,49 2 390 7 074
Schulen 97,5 2,82 12367 7882
Hochschulen 50,7 1,47 1858 27287
Förderung 7,2 0,21 18414* 391
Sonstiges 5,2 0,15 18414* 281
Ausg. f. Lehrlingsausbildung 21,3 0,62 2435 8749
davon: Wirtschaft 20,5 0,59    
öffentl. Dienst 0,8 0,02    
Ausg. BA f. beruft. Bildung 16,8 0,49    
davon: Ausbildung 2,1 0,06    
Fortbildg., Umschulung 14,7 0,43    
Sonst. Transf. an Studierende 26,5 0,77 1 858 14260
Summe 242,1 7,00    


* Anzahl der 6-26jährigen

Abb. 1: Bildungsausgaben in Deutschland einschl. Transfers und Steuervergünstigungen an Studierende 1995 (in Mrd. DM, in v. H. des BIP sowie in DM je Empfänger).

Quelle: in: Jeschek, Wolfgang: Bildungsausgaben in der Bundesrepublik Deutschland von 1992 bis 1995; in: DIW-Wochenbericht 8/97, S. 155; Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF): Grund- und Strukturdaten 1996/97; eigene Berechnungen.

In Anbetracht dieser nicht unbeträchtlichen Aufwendungen auch und gerade der öffentlichen Kassen für das Bildungswesen verwundern immer wieder Pressemeldungen, nach denen Deutschland im internationalen Vergleich mit anderen Industrieländern weit unterdurchschnittliche Bildungsausgaben tätigen würde. Diese Aussagen entstehen regelmäßig, wenn nur die öffentlichen Bildungsausgaben miteinander verglichen werden. Hier hat Deutschland infolge seines dualen Systems und dem entsprechenden Ausgabenanteil der privaten Wirtschaft in der Tat eine unterdurchschnittliche Position. Die angewandte Meßlatte des nur öffentlichen Bildungsausgabenvergleichs ist in des nur wenig tauglich, denn in anderen Ländern müssen Unternehmen und Haus halten entsprechend höhere Steuern ab verlangt werden, um den größeren staatlichen Anteil zu finanzieren.

Private und öffentliche Bildungsausgaben 1993
in v. H. des BIP sowie mit Bevölkerungsindex gewichtet

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Abb. 2: Öffentliche und private Bildungsaufwendungen in v. H. des BIP sowie bereinigt um den Anteil der jungen Menschen (6-26 Jahre) an der Bevölkerung 1995.

Quelle: OECD: Education at a Glance. Paris 1996

Nimmt man private und öffentliche Bildungsausgaben in der OECD-Statistik zusammen und gewichtet diese Ausgaben mit dem BIP als Indikator für den wirtschaftlichen Wohlstand, dann findet man Deutschland nicht auf einem der hinteren Plätze, sondern im Mittelfeld (vgl. Abb. 2). Nicht nur die skandinavischen Länder, sondern auch die USA, Australien, Neusee land, Frankreich und Irland rangieren vor Deutschland.

Aber auch diese Statistik bildet insofern verzerrte Ergebnisse ab, als sie die Grunddaten der demographischen Entwicklung in den verschiedenen Ländern außen vor läßt. Irland z. B., das unter allen Industriestaaten eine der höchsten Geburtenraten aufweist, muß auch einen größeren Anteil seines Sozialproduktes für seine Jugend aufwenden. In Deutschland und Österreich hingegen, die nunmehr seit 30 Jahren im Spitzenfeld der geburtenärmsten Länder der Welt liegen, ist auch der Anteil jüngerer Menschen an der Gesamtbevölkerung geringer. Rechnet man die unterschiedlichen demographischen Jugendlastanteile heraus, dann ergibt sich eine völlig andere Reihenfolge im gesamtwirtschaftlichen Bildungsabgabenindex: Deutschland rückt danach vom Mittelfeld an das untere Ende des Oberhauses auf. Es nimmt nach den skandinavischen Ländern und Kanada den 6. Platz in der Rangliste ein und verweist die USA, Australien, Neuseeland, Frankreich und Irland auf niedrigere Plätze. Die Aussage einer Unterfinanzierung des deutschen Bildungswesens im internationalen Vergleich wird vor diesem Hintergrund unschwer als eine im Grenzfall interessengeleitete Begründung für eine weitere Expansion der Bildungsausgaben in der Bundesrepublik zu identifizieren sein.

Ein Studierender kostet den Staat pro Jahr 42 500 DM

Analysiert man den Subventionsgrad verschiedener Bildungsgänge, ergeben sich große Unterschiede. Die Analyse der Durchschnittsausgaben je Empfänger in den verschiedenen Bildungsbereichen (vgl. Abb. 1) ergibt ein eindeutiges Gefälle zugunsten der Hochschulausbildung. Die geringsten Ausgaben verursachte 1995 die vorschulische Bildung mit etwa 7000 DM je Kindergartenplatz. Ein bestimmter Teil dieser Ausgaben wird außer dem nicht aus Steuermitteln, sondern aus Gebühren finanziert, so daß der effektive Subventionsgrad darunter liegt. Ein durchschnittlicher Schüler schlägt mit knapp 7900 DM zu Buche, wobei große Kostenunterschiede über die verschiedenen Schultypen auftreten. In der Primar stufe liegen die Ausgaben je Schüler sogar noch unter denen für Kindergartenplätze, in der Sekundarstufe sind sie hingegen knapp doppelt so hoch.

Am teuersten ist die Ausbildung im tertiären Bereich. Hier fällt für die Lehrlingsausbildung ein Ausgabenaufwand von 8750 DM je Auszubildendem im Betrieb an, die im übrigen der Staat nach Maßgabe des betrieblichen Grenzsteuersatzes, also zu etwa 50 %, mitfinanziert. Hinzu kommen Berufsschulkosten in einer Größenordnung von etwa 4300 DM je Azubi, die allerdings in Abb. 1 im Schnitt wert für Schulen enthalten sind.

Die höchsten staatlichen Aufwendungen je Empfänger werden im Hochschulbereich getätigt. Je Studierendem gewährte der Staat 1995 27 300 DM an Realtransfers, rund 1000 DM Ausbildungsförderung ; sowie 14 260 DM sonstige Transfers und Mindereinnahmen, alles in allem also rund 42 500 DM je eingeschriebenem Studierenden. Da indes nur ein Teil der Studierenden in den Genuß von BAföG und Sondertransfers kommt, liegen deren Subventionen sogar noch höher. Ohne Berücksichtigung der Lehrlingsvergütungen beläuft sich der Durchschnittsbetrag auf das in etwa Dreieinhalbfache der Aufwendungen für die Lehrlingsausbildung. Hier muß bereits die Frage gestellt wer den, ob dieser gewaltige Unterschied zu rechtfertigen ist, zumal wenn sich der Unterschied unter Einrechnung der unter schiedlich langen Ausbildungszeiten noch einmal verdoppeln dürfte, wenn man die Indikatoren auf die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungen umrelationieren würde.

Der deutsche Bildungsföderalismus

Ein besonderes Problem der Bildungsfinanzierung in Deutschland resultiert aus den Besonderheiten des föderativen Systems. Im Grunde haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz für Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Der Bund besitzt eine Rahmengesetzgebungskompetenz für den Hochschulbereich und hat außerdem in den Kindergartenbereich eingegriffen, als er mit Zustimmung des Bundesrates die Garantie für einen Kindergartenplatz gesetzlich verankert hat. Da die Finanzierungspflicht in der deutschen Finanzverfassung an die Verwaltungskompetenz anknüpft, zahlen hierfür die Gemeinden, wobei sie bestimmte Zuschüsse von ihren Ländern erhalten, wenn sie bestimmte Auflagen einhalten.

Bei den Schulen gibt es - neben wenigen Privatschulen, die aber aus den Landes haushaltenbezuschußt werden - hinsichtlich der Finanzierungspflicht eine Arbeitsteilung zwischen Land und Kommunen. Schulträger sind i.a.R. die Gemeinden und Gemeindeverbände, die das Verwaltungspersonal sowie den Sach- und den Investitionshaushalt finanzieren. Zur Finanzierung von größeren Investititionen wie Schulneu- und -umbauten sowie umfang reicheren Instandsetzungen werden sei tens der Länder erhebliche Zuschüsse auf Antrag gezahlt. Die Ausgaben für das Lehrpersonal schließlich trägt das Land. Das Land ist dabei auch Dienstherr der Lehrer und nimmt im Rahmen der Schulaufsicht auch die Auswahl und Zuweisung der Lehrer zu den einzelnen Schulen vor. Kommunale Lehrer gibt es nur noch in einigen Ausnahmefällen. Die Kosten der Schülerbeförderung wurden jahrelang von den Ländern erstattet. Seit kurzem allerdings versuchen einige von ihnen, ihre Haushalte auch durch Kürzungen dieser Leistungen zu sanieren.

Im Bereich der tertiären Bildung schließlich liegen die Finanzierungskompetenzen für die Hochschulen selbst bei den Ländern. Ausnahme sind die Ausgaben für Aus- und Neubau der Hochschulen und Hochschulkliniken, die sich Bund und Länder im Rahmen einer Gemeinschaftsaufgabe (Art. 91 a GG) teilen. Die Ausgaben für die Ausbildungsförderung und das Meister-BAföG werden zu 05 % vom Bund, zu 35 % von den Ländern finanziert. Ausnahme von diesen Finanzierungsregeln bilden weiterhin die spezifischen Hochschulen des öffentlichen Dienstes, darunter die Bundeswehrhochschulen (zu Lasten des Bundeshaushalts) und die Verwaltungsfachhochschulen der verschiedensten Fachrichtungen in den Ländern, die ihrerseits wiederum Finanzierungsbeiträge für die Ausbildung von Gemeindebeamten von ihren kommunalen Gebietskörperschaften abfordern.

Die Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungs- bzw. Finanzierungskompetenzen auf die verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften ist ein wichtiges Gestaltungselement der Finanzverfassung in föderativen Staaten. Das Hochschulwesen ist auch in anderen föderativ verfaßten Ländern Aufgabe der Gliedstaaten, während die Ausbildungsförderung häufig aus dem Bundeshaushalt (vor)finanziert wird. Schulen und Kindergärten sind meist kommunale Aufgaben. Eine deutsche Besonderheit allerdings sind die starken Verfechtungen in der Finanzverfassung, die dadurch gekennzeichnet sind, daß mehr als eine Gebietskörperschaft für die Finanzierung von Bildungseinrichtungen verantwortlich ist. Beispiele hierfür sind die Mischfinanzierung beim Hochschulbau sowie die "Beteiligung" der Länder an den Schulfinanzen in Form der Besoldung der Lehrer und der Investitions- und anderer Sachmittelzuschüsse. Insbesondere die Bindung dieser Mittel für einen bestimmten Aufgabenzweck am stärksten bei der Finanzierung des Lehrpersonals - sowie der meist mit der Vergabe der Mittel verbundene Eigenfinanzierungsanteil der empfangenen Gebietskörperschaften stellen schwere Hypotheken für eine transparente und effiziente Bewirtschaftung der den Kinder gärten, Schulen und Hochschulen zur Verfügung gestellten Finanzmittel dar.

Wie läßt sich die Bildungsfinanzierung durch den Staat rechtfertigen?

Die Volkswirtschaftslehre, genauer: die Finanzwissenschaft hat eine ganze Reihe von Kriterien entwickelt, die ein analytisch begründetes Urteil über die Aufgaben des Staates in einer sozialen Markt wirtschaft ermöglichen. Zentrales Argument für staatliche Aktivitäten ist regelmäßig das so genannte allokative Markt versagen. Daneben lassen sich aber insbesondere für verteilungspolitische Fragen auch andere Entscheidungskriterien für staatliche Interventionen erarbeiten. Hier stellt sich z.B. die Frage, ob und in welchem Umfang sowie unter welchen Bedingungen der Staat Bildungskonsum subventionieren soll oder aber ob eine staatliche Subventionierung von rentablen Humankapitalinvestitionen überhaupt erforderlich ist. Schließlich muß auch die Frage aufgeworfen werden, ob die staatliche Produktion und Regulierung von Bildungsleistungen wegen der notorischen Ineffizienz öffentlicher Einrichtungen nicht am Ende unwirtschaftlicher ist als ein stärker privat organisiertes Bildungssystem.

In Marktwirtschaften soll der Staat nur dort in die Privatwirtschaft eingreifen, wo der Markt als Allokations- und Verteilungsinstrument versagt, d.h. private Anbieter ein bestimmtes Gut nur unzureichend anbieten würden oder aber bei gegebener Einkommensverteilung private Nachfrager ein Gut in übermäßigem oder aber auch in zu geringem Umfang nach fragen würden. Konstitutionelles Markt versagen liegt vor, wenn Gütern oder Dienstleistungen zwei Eigenschaften fehlen, ohne die sie von privaten Anbietern nicht oder unzureichend produziert wer den:

1. Wer den Marktpreis nicht entrichtet oder nicht entrichten will, kann nicht vom Konsum eines Gutes ausgeschlossen werden. Das Ausschlußprinzip funktioniert nicht.

2. Der Nutzen eines Gutes kann mehreren Nachfragern zugute kommen, ohne daß der Nutzen der anderen beeinträchtigt wird. Die Rivalität des Konsums ist nicht gegeben.

Bildungsleistungen könnten indes unter Anwendung des Ausschlußprinzips und der Rivalität des Konsums angeboten wer den. So ist es z.B. theoretisch denkbar, daß ein Kind, dessen Eltern ein Schulgeld nicht entrichten wollen, vom Unterricht ausgeschlossen wird. Gleiches gilt für Universitäten, wenn Studiengebühren erhoben wer den. Auch der Nutzen der Unterrichtsleistungen rivalisiert zumindest so lange nicht, wie Klassen und Hörsäle nicht über füllt sind. Zu einem zu geringen Angebot bzw. zu geringer Nachfrage kommt es aber infolge eines dritten und vierten Kriteriums, die beide Staatseingriffe recht fertigen.

3. Der gesamtgesellschaftliche Nutzen von Bildungsleistungen ist regelmäßig größer als die privatwirtschaftliche Rentabilität. Es liegen - um den Terminus technicus zu gebrauchen - externe Nutzen von Bildung vor.

4. Die Nachfrager nach Bildungsleistungen haben, aus welchen Gründen auch immer, keine rationalen Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Erträge ihrer Bildungsaufwendungen. Ihre Konsumentensouveränität versagt.

Im Regelfall würden in beiden Fällen zu wenig Bildungsleistungen gegenüber dem gesamtwirtschaftlichen allokativen Optimum nachgefragt. Deshalb soll der Staat die Leistungen verbilligen, ein entsprechendes Leistungsangebot sicherstellen oder gar die Nachfrage - wie bei der Schulpflicht - verbindlich vorschreiben. Insbesondere in einer Grundbildung für alle, wie sie im Prinzip bei der neunjährigen Schulpflicht angestrebt wird, liegt heute eine wesentliche Grundvoraussetzung für Produktivität und Konsumfähigkeit einer modernen Industriegesellschaft. Insofern ist der sehr weitgehende Eingriff des Staates in Form der Schulpflicht gerechtfertigt. Auch eine an der Pflicht an knüpfende staatliche Finanzierung der Schulen ist eine folgerichtige Subventionierung, die allerdings den ergänzenden Betrieb von Privatschulen nicht aus schließt. Die Analyse des Marktversagens ergibt somit unzweifelhaft einen staatlichen Interventions- und Subventionsbedarf im Bildungswesen. Wie dies im einzelnen zu gestalten ist, kann mit Hilfe weiterer Entscheidungskriterien ermittelt werden.

Neben der Bildung von Human kapital gibt es Bildungskonsum

Bildung wird von Individuen aus unter schiedlichen Gründen nachgefragt: Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das Vermögen der Industriestaaten in Form von Humankapital ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Unter Humankapital wird dabei das an im Erwerbsleben stehende oder zukünftig ins Erwerbsleben eintretende Personen gebundene produktions relevante Wissen verstanden. Für die Erwerbstätigen selbst trägt dieses Wissen auch ökonomische Früchte, da ihre Beschäftigungs- und Verdienstchancen in starkem Maße von ihrer Ausbildung ab hängig sind. Verursacht hier Marktversagen, aus welchen Gründen auch immer, zu geringe Humankapitalinvestitionen, dann tritt ein gesamtgesellschaftlicher Vertust ein. Es ist also Aufgabe des Staates, vor allem diese wissensgebundene Produktiv kraft der Volkswirtschaft zu fördern, die in Form von Bildungsinvestitionen aufgebaut wird.

Neben Bildungsinvestitionen gibt es aber auch Bildungskonsum. Bildung z.B. in Form eines Volkshochschulkurses über französische Literatur dürfte für die Mehr zahl der Teilnehmerinnen kaum direkten Nutzen für ihre Berufstätigkeit bringen, sondern eher ihrer privaten Interessenssphäre zuzuweisen sein. Eindeutig dem Bildungskonsum zuzuordnen ist außer dem das sog. Seniorenstudium, da diese Menschen ihr Erwerbsleben bereits hinter sich haben und eine zukünftig produktive Verwertung ihrer zusätzlichen Bildung ausgeschlossen sein dürfte. Schließlich kann Bildung selbst ein reiner Konsumvorgang in der Freizeit sein, weil es Freude macht, sich weiteres Wissen z.B. im Be reich der Hobbies anzueignen.

Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß außerdem ein gewisser, allerdings begrenzter gesamtwirtschaftlicher Nutzen von zusätzlichen allgemeinen Bildungsanstrengungen auf die Möglichkeiten der Menschen ausgeht, z.B. innovative Produkte zu konsumieren. Desweiteren er kennt die Politik Bildungskonsum in be stimmten Bereichen per se als förderungswürdig an, wie man an der Höhe der Kultursubventionen sehen kann. Für die staatliche Finanzierung im Bildungswesen indes kann Bildungskonsum kaum als förderungswürdiger Sachverhalt angesehen werden, zumindest nicht unterschiedslos zu Bildungsinvestitionen in Humankapital. Gerade weil der Unterschied ihres Beitrags zu gesamtwirtschaftlichen Wohl fahrt zwischen beiden Kategorien von Bildung so groß ist, muß der Subventionsgrad des Bildungskonsums deutlich unter dem von Bildungsinvestitionen liegen, wenn nicht gar weitgehend ausgeschlossen werden.

Es besteht ein deutlicher Zusammen hang zwischen höherer Bildung, Lebenseinkommen und Arbeitsplatz Sicherheit

Ein weiteres Kriterium zur Bestimmung des staatlichen Finanzierungsanteils an den volkswirtschaftlichen Bildungsinvestitionen ist ihre individuelle Rentabilität. Zwar ist auch heute nicht von der Hand zu weisen, daß Bildung und Wissen nicht nur direkte, d.h. individuelle Erträge erbringen, sondern darüber hinaus auch ge samtwirtschaftliche. Der Subventionsgrad verschiedener Arten von Bildung er scheint freilich kritisch zu hinterfragen, wenn Bildungsinvestitionen per se eine positive Verzinsung in Form eines höheren Lebenseinkommens relativ zum Einkommen von Wirtschaftssubjekten ohne entsprechende Bildungsanstrengungen auf weisen.

In Anbetracht der Tatsache, daß der Staat den Besuch von Schulen zwischen dem 6. und 15. Lebensjahr qua Gesetz verlangt und damit alle Schüler und Schülerinnen wenngleich an unterschiedlichen Schultypen und mit unterschiedlichem Erfolg in dieser Zeit Schulen besuchen, ist es schwierig, hier eine einzelwirtschaftliche Rentabilität zu bestimmen. Einzelwirtschaftliche Erträge der vorschulischen Bildung, die darüber hinaus die Aufgabe der Kinderbetreuung erwerbstätiger Eltern teile erfüllt, lassen sich indirekt am zusätzlichen (potentiellen) Einkommen des zweiten Ehepartners bemessen.

Für Bildung nach dem 15. Lebensjahr, ins besondere für berufliche Ausbildungen, den Besuch von Fachschulen sowie ein Hochschulstudium, gibt es hingegen eine Reihe von Untersuchungen über den Zusammenhang von Bildung und einem höheren Jahreseinkommen bzw. sogar einem höheren Lebenseinkommen trotz späterem Berufseinstieg. So führt nach einer Berechnung von Bellmann und Moeller&degree; ein zusätzliches Ausbildungsjahr nach dem 15. Lebensjahr zu einem Einkommenszuwachs von zwischen 3,5 und 7 %. Eine Hochschulausbildung verzinst sich nach einer anderen Studie für jedes Jahr zusätzliche Ausbildung nach dem 15. Lebensjahr sogar mit durchschnittlich 6,6-13,8 % 5. Trotz steigender Studierneigung haben sich die Ausbildungsrenditen eines Studiums seit den 70er Jahren nur unwesentlich verringert6. Gewichtet man diese Erwartungswerte mit dem ebenfalls ausbildungsabhängig auftretenden Arbeitsmarktrisiko, so ist ganz eindeutig der Schluß zu ziehen, daß mit zunehmender Bildung und höherwertigen Ausbildungsabschlüssen die Einkommenserwartungen steigen und das Arbeitsmarktrisiko sinkt. Aus der hohen positiven Verzinsung läßt sich die Notwendigkeit einer Reduzierung von Bildungssubventionen folgern, wobei Renditeunterschiede verschiedener Ausbildungen zu berücksichtigen sind.

Eine Umverteilung von unten nach oben

Als Einrede dagegen wird gerne geltend gemacht, Akademiker würden infolge ihres höheren Einkommens die während der Ausbildung genossenen Subventionen auch über eine überproportional höhere Steuerlast zurückzahlen. Grüske' hat in des in einer bemerkenswerten Studie vor wenigen Jahren nachgewiesen, daß  Akademiker die während ihres Studiums genossenen staatlichen Leistungen nicht über ihre höhere Steuerlast zurückzahlen. Die staatliche Subventionierung im tertiären Bildungsbereich bezuschußt die Akademiker, bezogen auf ihr insgesamt höheres Lebenseinkommen, also netto. An diesen Subventionen finanzieren Nichtakademiker und ungelernte Arbeitskräfte nach Maßgabe ihrer Steuerbelastung mit. Die praktizierte Hochschulfinanzierung und Ausbildungsförderung stellt mithin eine Umverteilung von unten nach oben dar. Überzeugte der Subventionsgrad wegen der Rentierlichkeit von Humankapitalinvestitionen schon aus allokativer Sicht nicht, so vermag die Analyse der Verteilungswirkungen den betriebenen staatlichen Aufwand erst recht nicht zu rechtfertigen.

Nicht flächendeckend, sondern differenziert subventionieren

Eine Subventionierung der über die Zeiten der Schulpflicht hinausgehenden Ausbildungsaufwendungen könnte sich allerdings noch mit den Argumenten einer versagenden Konsumentsouveränität begründen lassen. Hier liegen in der Tat auch die großen Probleme der Finanzierung von Humankapitalinvestitionen, denn junge und in aller Regel vermögenslose Schulabgänger erhalten vom privaten Bankensystem insbesondere dann keine Kredite für ihre weitere Ausbildung, wenn sie, aus einkommensschwächeren Haus halten stammend, kein hinreichendes Erbe zu erwarten haben, das sie ex ante verpfänden könnten. Auch ist zu berück sichtigen, daß Schulabgänger über keine Einkommenserfahrung verfügen. Im Vergleich zur Taschengeldsituation erscheinen Schulden, die z.B. zur Finanzierung des Lebensunterhalts von Studierenden aufgenommen werden müßten, als kaum jemals rückzahlbar, auch wenn der Augen schein uns lehrt, daß viele dieser jungen Menschen, wenn sie einige Jahre berufstätig waren, einen ähnlich hohen Betrag bedenkenlos für ein Auto ausgeben. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, daß unstetiger werdende Arbeitsmarktchancen von Hochschulabsolventen die Befürchtungen junger Menschen vergrößern müssen, nach dem Studium nicht in der Lage zu sein, derartige Kredite zurückzuzahlen. Bezieht man außerdem mit ein, daß unterschiedliche Einkommenserfahrungen verschiedener sozialer Gruppen und Elternhäuser die Ausbildungsentscheidungen junger Menschen prägen, dann ergibt sich hieraus ganz eindeutig ein staatlicher Interventionsbedarf. Dieser kann und darf allerdings nicht in einer flächendeckenden Subventionierung aller möglichen Bildungsinvestitionen und sogar des Bildungskonsums - wie z.B. im Fall des Seniorenstudiums - bestehen. Vielmehr ist eine differenzierte Investition erforderlich, die sicherstellt, daß junge Menschen nicht gezwungen sind, unvertretbare Risiken für die Rückzahlung ihrer Bildungskredite einzugehen, was letztendlich vermögenslose und risikoaverse, aber talentierte junge Menschen von der persönlich und ökonomisch adäquaten Ausbildungsentscheidung abhalten werden.

Da der Wettbewerb fehlt, produzieren die Bildungsinstitutionen ineffizient

Ein vierter kritischer Standpunkt gegen über dem staatlichen Angebot, ja sogar dem weitgehenden staatlichen Monopol von Bildungsleistungen resultiert aus den sattsam bekannten Problemen ineffizienter, d.h. nicht kostenminimaler Produktionsstrukturen im öffentlichen Sektor. In folge unzureichendem, meist sogar ganz fehlendem Wettbewerbsdruck, der private Unternehmen dann aus dem Markt drängt, wenn sie die Effizienzbedingurig verfehlen, produzieren öffentliche Einrichtungen zu teuer und tendieren außer dem zu einer Ausweitung ihres Angebots über das Maß hinaus, das gesamtwirtschaftlich vertretbar erscheint.

Ein beschränkter "Wettbewerbsdruck" resultiert regelmäßig allenfalls aus dem jährlich wiederkehrenden Kampf um die staatlichen Haushaltsmittel, der gegen über anderen Ressorts oder aber auch gegenüber der Möglichkeit einer Steuersenkung ausgetragen wird. Dieser Wettbewerb erhöht allerdings die Ineffizienz der Mittelverwendung, statt sie - wie im Falle des marktlichen Wettbewerbs - zu vermindern, weil die Ziele der verschiedenen Ressorts und nachgelagerten Institutionen nur ausnahmsweise das Gemein wohl im Auge haben und diese regelmäßig ihren Bereich hinsichtlich seiner Wichtigkeit im Kontext des Gesamtbudgets überschätzen. Diese Ziele der jeweiligen Budgetmaximierung werden gegen über anderen Ressorts und den Steuerzahlern vor allem auch mit den Mitteln der gesetzlichen Festschreibung ressourcenbeanspruchender Leistungspflichten sowie von steigenden Leistungsstandards betrieben.

Ein exzellentes Beispiel für derartige budgetmaximierende Strategien der Bildungslobbyisten sind die Forderungen nach zusätzlichen Planstellen mit Hinweis auf die verschlechterten Schüler-Lehrer oder Studierenden-Professoren-Relationen. Bezeichnenderweise werden die Forderungen allerdings nicht mit analytischen Argumenten hinsichtlich einer optimalen Betreuungsrelation abgestützt. Sie orientieren sich vielmehr regelmäßig an den jeweils geltenden historischen Bestmarken, die im Schulbereich Mitte der 80er Jahre und im Hochschulbereich 1977 erreicht waren. Ökonomische Argumente, ob und warum bei der jeweiligen Relation ein effizienter Ressourceneinsatz gewähr leistet ist, werden nicht geliefert.

Dies ist auch gar nicht möglich. Handelt es sich doch z.B. bei der Relation Schüler-Lehrer um zwei Input-Größen des Produktionsprozesses für Bildungsleistungen. Wirtschaftlichkeit läßt sich aber nur dann messen, wenn zu einer Input- eine Output-Größe in Relation gesetzt wird. Und ein Lehrer "produziert" nun einmal nicht Schüler, sondern seine Aufgabe ist es, den Schülern ein bestimmtes Wissen und be stimmte Fähigkeiten beizubringen. Diese allerdings werden systematisch nur selten gemessen. Wie in weiten Bereichen der staatlichen Tätigkeit gibt es überdies keine Effizienzkennziffern, bei denen Zähler und Nenner sich einheitlich in monetären Größen ausdrücken lassen. Der Output des deutschen Bildungssystems ist zumindest z.Zt. nur aus Einzelfallstudien und aus indirekten Indikatoren ableitbar.

 

Schüler und Schüler-Lehrer-Relationen
1960-1995 (1995 incl. neue Länder)

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Abb. 3: Schüler-Lehrer-Relationen 1960-1995 Quelle: BMBF; eigene Berechnungen

Eine weitere indirekte Möglichkeit, die Effizienz von nicht am Markt tätigen Institutionen zu bestimmen, läßt sich unter Anwendung der Theorie der Verfügungsrechte sowie des Transaktionskostenansatzes vornehmen. Die Theorie der Property Rights hat nämlich die Konditionen bestimmt, unter denen Organisationen gleich welcher Art, d.h. ausdrücklich auch Organisationen, die ihre Leistungen nicht als freie Unternehmen unter Marktbedingungen erstellen können, in der Lage sind, effizient zu handeln. Um per Eigeninteresse effizient zu wirtschaften, muß ein Wirtschaftssubjekt verschiedene Verfügungsrechte besitzen. Im Grenzfall besitzt nur der freie Einzelunternehmer alle notwendigen Rechte. Staatliche Unter nehmen und Verwaltungsorganisationen, zu denen auch die Bildungseinrichtungen zählen, können z.B. qua Definition schon nicht mit dem Recht ausgestattet werden, sich den Gewinn anzueignen oder ihren Betrieb am Markt zu einem Marktpreis zu verkaufen. Es gibt aber die Möglichkeit, sog. Eigentumssurrogate institutionell zu verankern und auf diese Weise ein Anreizsystem zu etablieren, das eine effizientere Ressourcenbewirtschaftung sicherstellt. Die Theorie der Verfügungsrechte gibt in sofern einen indirekten Maßstab der Unwirtschaftlichkeit von Schulen und Hoch schulen ab, als aus der Zahl und der Art der Handlungsbeschränkungen sowie der komplementär notwendigen Kontrollmaßnahmen ( ~ Transaktionskosten) auf ihn geschlossen wird. Das traditionelle Haushaltsrecht, das im Schulbereich zudem die Ressourcen für Lehrer und anderes getrennt aus dem Landes- und dem Gemeindehaushalt, untereinander aber nicht deckungsfähig, zuweist, Beschränkungen der Personalhoheit nicht nur der Schulen - Schulen dürfen sich noch nicht einmal ihre Kollegien selbst auswählen -, sondern auch der Hochschulen, unkündbare Beamtenverhältnisse, wobei man gerade die "Fehlfarben" bis zur Pensionierung mitschleppen muß, weil diese auch keiner anderen Schule zuzumuten sind oder im Hochschulbereich nur noch ausnahmsweise einen Ruf erhalten, eine riesige Wissenscharts- und Kultusbürokratie, die bezeichnenderweise in den letzten 30 Jahren stärker gewachsen ist als das Lehr Personal, all dies sind Indikatoren für eine staatlich programmierte Unwirtschaftlichkeit durch Zentralisierung und Überregulierung, die die Organisationen vor Ort mehr behindern, als sie mit Anreizen und Mitteln auszustatten, ihre Probleme zugunsten besserer Ausbildungsleistungen selbst zu lösen.

 

Studienanfänger und Relation zu Professorenzahlen
1960-1995 (1995 incl. neue Länder)

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Abb. 4: Relation Studienanfänger zu Professoren 1960-1995
Quelle: BMBF; eigene Berechnungen

Letztlich sind es außerdem diese intransparenten und unwirtschaftlichen Angebotsstrukturen, die Lobbyisten Tür und Tor öffnen, selbst in Zeiten knapper Kassen zusätzliche Renten zugunsten ihrer Gruppen durchzusetzen. Daß die betroffenen Staatsdiener ihrerseits auf die de motivierenden Verhältnisse mit innerer Kündigung reagieren, ist an der Rekordmarke des Pensionseintrittsalters der Lehrerinnen und Lehrer erkennbar.

Fehlentwicklungen durch fehlende "Preise" für Bildung

Insgesamt gehen von der Bildungsfinanzierung in Deutschland recht widersprüchliche Anreize für Angebot und Nachfrage nach Bildungsleistungen aus. Eine durchaus hohe staatliche Beteiligung an den Kosten des Bildungssystems er scheint in Anbetracht der externen Nutzen eines hohen Ausbildungsstandes nach wie vor vertretbar. Daß allerdings ausgerechnet das Hochschulstudium, das die höchsten Einkommensrenditen abwirft, auch am stärksten bezuschußt wird, ist ein äußerst zweifelhaftes Verteilungsergebnis. Auch unter allokativen Aspekten wohnen dieser einseitigen Subventionierung zukünftiger Akademiker und Akademikerinnen Probleme inne: Ist es doch nicht von der Hand zu weisen, daß der in letzter Zeit häufig beklagte Mangel, dem Handwerk stünden einerseits nicht hinreichend talentierte Auszubildende zur Verfügung und andererseits würden die Besten, die die Meisterprüfung ablegten, nach einem dann anschließenden Fachhochschulstudium besser bezahlte Stellungen in der Industrie annehmen, durch die ungleiche Subventionierung wesentlich herbeigeführt wird.

Darüber hinaus dürfte die hohe und zeitlich überaus lang andauernde Subventionierung der tertiären Bildung auch zu den im internationalen Vergleich extrem langen Ausbildungszeiten beitragen. Dieser kritische Befund gilt nicht nur in Bezug auf die Studienzeiten selbst, sondern verstärkt sich angesichts der Tatsache, daß rd. 40 % aller Studienanfänger heute schon vorher eine Berufsausbildung absolviert haben, 25 % sogar mit dem ausschließlichen Ziel, dadurch ihre Beschäftigungschancen nach dem Studium abzusichern. Sie verdrängen dadurch auch weniger qualifizierte Lehrstellenbewerber, die in weitaus geringerem Maße an den staatlichen Bildungssubventionen partizipieren als sie. Indes ist auch zu berücksichtigen, daß gerade der An schein, Bildung "koste" nichts, zu dieser übermäßigen Inanspruchnahme führt. Insbesondere Hochschulbildung hat in Deutschland nur einen "geringen" Preis in Form von Einkommensausfällen während des Studiums, der durch den persönlichen Freiheitsgrad und durch höhere Einkünfte danach schnell wieder ausgeglichen und sogar überkompensiert wird. In welcher Höhe sie hingegen Subventionen in Anspruch nehmen, ist kaum einem Studierenden, einem Azubi oder auch einem Schüler oder einer Schülerin bewußt.

Die fehlenden "Preise" für Bildung dürften schließlich auch dazu beitragen, daß die Bildungsinstitutionen selbst nicht effizient organisiert sind. Bürokratische Überregulierung gerade der Institutionen, die vor Ort die Bildungsleistungen zu erbringen haben, sowie eine im Grunde leistungsunabhängige Zuschußfinanzierung der verschiedenen Einrichtungen innerhalb eines unter Überflechtung leidenden föderativen Systems bewirken die ineffiziente Verwendung der Ressourcen im Bildungssystem: Das erreichte Leistungsvolumen könnte mit Hilfe von weniger Ressourcen erstellt werden oder aber es könnten - dies erscheint angesichts der Kapazitätsengpässe bei Schulen und Hochschulen sehr viel wichtiger - mit den vorhandenen Ressourcen wesentlich mehr Bildungsleistungen erbracht wer den!

Es besteht der dringende Verdacht einer unrentablen Überfinanzierung

Ein in sich stimmiges System der Bildungsfinanzierung muß - trotz unterschiedlicher Kompetenzen verschiedener Gebietskörperschaftsebenen - die verschiedenen Stufen des Bildungssystems unter einander verbinden. Es soll die individuellen Lebens- und Einkommenschancen junger Menschen ebenso optimieren wie die von der Humankapitalausstattung wesentlich bestimmte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sichern. Zwischen beiden Zielen gibt es im Grunde keinen Zielkonflikt.

Vieles, was derzeit im deutschen Bildungswesen kritisch diskutiert wird, steht in engem kausalen Zusammenhang mit den falschen Anreizen, die von der praktizier ten Bildungsfinanzierung ausgehen. Ins besondere ist hierbei die extrem hohe Subventionierung von privatwirtschaftlich rentablen Hochschulausbildungen zu nennen, aber auch die durch Überregulierung und bürokratische Handlungsbeschränkungen induzierte Ineffizienz der Bildungsinstitutionen selbst. Es besteht der dringende Verdacht, daß das Bildungswesen staatlicherseits überfinanziert ist, und das zu einem Zeitpunkt, in dem keine Reserven in den öffentlichen Haushalten mehr vorhanden sind. Es liegt deshalb nahe, eine grundlegende Neuordnung der finanziellen Rahmenbedingungen im Bildungswesen anzugehen. Zentraler Stellenwert kommt dabei zwei Elementen zu, die im folgenden kurz umrissen werden: 1. eine veränderte Grundordnung der Finanzierung des Hochschulstudiums und anderer weiterführender Bildung sowie z. die Ausstattung der Bildungsinstitutionen selbst mit Handlungsrechten und Entscheidungsautonomien, die sie in die Lage versetzen, eigenverantwortlich und effizient ihre Aufgaben zu erfüllen.

Für einen akademischen Generationenvertrag

Das heute betriebene Subventionsniveau entstammt im Grunde den 60er Jahren, als man in der Phase des Bildungsaufbruchs versuchte, das damals für die wirtschaftliche Entwicklung zu niedrige Bildungs- und Ausbildungsniveau anzuheben. 30 Jahre später sind die damals vorgetragenen Argumente allerdings in Frage zu stellen. Das erreichte Niveau der Bildungsnachfrage - fast 35% eines Geburtsjahrganges beginnen inzwischen ein Hoch Schulstudium -weist darauf hin, daß auch Deutschland sich inzwischen in einer sog. "Bildungsausreifungsphase" befindet, mit hin der Nutzen berufsbezogener Humankapitalbildung nicht mehr durch zusätzliche Subventionen betont werden muß. Das Grundproblem einer Reform der Hochschulfinanzierung liegt vor diesem Hintergrund darin, den übertriebenen Subventionsgrad zu reduzieren, ohne talentierte junge Menschen vom Studium abzuschrecken. Die Einführung von Studiengebühren stößt dabei in Deutschland auch deswegen auf energischen Wider stand, weil es bis jetzt keine gibt und Besitzstände verändert würden.

Indes erscheint es vertretbar, die Subventionen zum Aufbau von Humankapital, die ein Mensch vor und während seines Arbeitslebens erhält, a) transparent zu machen und b) zu limitieren. Alle Schulabgänger könnten mit nichtübertragbaren Bildungsgutscheinen ausgestattet werden, die ihnen das Recht verleihen, nach dem Abitur oder im Falle eines Haupt- oder Realschulabschlusses nach drei weiteren Jahren Lehre oder Besuch einer Fachschule fünf Jahre lang Bildungssubventionen in Anspruch zu nehmen, gleichgültig ob für die Erstausbildung oder - bei schnell Lernenden - zusätzlich für eine spätere berufliche Weiterbildung. Danach werden kostendeckende Gebühren erhoben. Das gilt in jedem Fall auch für Bildungskonsum z.B. in Form eines Seniorenstudiums.

Auf diese Weise würde der Subventionsgrad einerseits aufgedeckt, andererseits aber auch indirekt Preise für weiter führende Ausbildungen eingeführt, die bei den Studierenden einen wirtschaftlicheren Umgang mit knappen Ressourcen bewirken würde. Denn dann wäre offen sichtlich, welche Opportunitätskosten die Absolvierung von betrieblicher Lehre und Studium verursachen würde. Eine Entscheidung für das eine oder das andere würde erforderlich. Nur wenn die Renditeerwartung hoch genug wäre, würden beide Ausbildungen absolviert. Administrativ könnten die Bildungsgut scheine als Bildungskonten geführt wer den. Nach fünf Jahren würde den Bildungsinstitutionen die einsetzende Gebührenpflicht angezeigt. Auf diesen Bildungskonten könnte außerdem eine reformierte Ausbildungsförderung erfaßt werden, die sicherstellt, daß jeder junge Mensch sich seiner Ausbildung zügig widmen kann, weil sein Lebensunterhalt gesichert ist.

Die Probleme privater Beleihung von Humankapital wie auch der Beeinflussung der Bildungsentscheidungen durch die Eltern könnten durch einen in Zukunft als Fonds finanzierten akademischen Generationenvertrag bewerkstelligt werden, zwischen denen, die während ihres Studiums oder ihrer Meisterausbildung Mittel erhalten haben, und denen, die derzeit Mittel benötigen. Die während des Studiums erhaltenen Leistungen würden über einen bestimmten Zeitraum getilgt, wobei die Mittel ihrerseits direkt wieder den dann Studierenden zufließen würden. Ein solcher geschlossener Fonds, bei dem der Staat nur die Garantenstellung innehätte, benötigt zwar eine Art Verzinsung für den Teuerungsausgleich. Eine marktübliche Verzinsung mit einem bestimmten positiven Realzins ist indes nicht notwendig.

Unverzichtbar allerdings wäre der Ein bau eines Versicherungsmechanismus, der die Studierenden wie die Gemeinschaft vor unvertretbaren Rückzahlungsrisiken schützt. Unvertretbar für die Mitglieder des Fonds und in Hinblick auf Moral hazard-Verhalten unproblematisch sind die Risiken Tod, Erwerbsunfähigkeit sowie Arbeitslosigkeit insbesondere am Anfang des Erwerbslebens. Nicht vom Fonds vertretbar wäre hingegen freiwillige Nichterwerbstätigkeit z.B. für Kindererziehung oder wegen der beruflichen Stellung des Ehepartners. Diese Kosten müßten dann von den Begünstigten selbst oder aber aus dem jeweils verantwortlichen Staatshaushalt getragen werden, wenn die Politik meint, solche Verhaltensweisen fördern zu müssen. Finanztechnisch wäre es ein Leichtes, die fonds-eigenen Risikenversicherungs mathematisch zu berechnen und als Zu schlag auf die Rückzahlungen zu erheben.

Wie die Schul- und Hochschulfinanzierung an der Leistung festgemacht werden könnte

Jede Veränderung der Rahmenbedingungen für die tertiäre Ausbildung läuft allerdings leer, wenn nicht auch die Hochschulen selbst sich verändern und insbesondere Studiengänge anbieten, die in den subventionierten Fristen erfolgreich studier bar sind. Wie oben schon angesprochen, brauchen sie hierzu - ebenso wie Schulen und Kindergärten - viel mehr Autonomie und sachgerechte Anreizstrukturen, um dies durch eigene Anstrengungen zu er reichen. Globalhaushalte, Personalhoheit u.a. sind hierzu geeignete Ansätze. Selbst wenn man sie allerdings so ausgestaltet, daß die Institutionen die ihnen zugewiesenen Ressourcen eigenständig so bewirt schalten, daß sie keine Lasten auf andere Bereiche oder in die Zukunft verschieben können, bleibt der elementare Mangel bestehen, daß bessere Leistungen und eine wirtschaftlichere Mittelallokation per se keine Belohnungen einbringen, wenn der Mittelrahmen ohne Bezug auf die er brachte Leistungen festgelegt wird. Selbst ein Wettbewerb der Hochschulen, Schulen und Kindergärten untereinander würde keine effizientere Mittelallokation bewirken, wenn nicht ein Surrogat für das Eigentumsrecht der Gewinnaneignung in das System der Schul- und Hochschulfinanzierung eingebaut würde.

Den Hochschulen z.B. das Einnahmen recht für die nach fünf Jahren anfallenden Studiengebühren zu übertragen, wäre aber eine zweischneidige Sache. Denn damit würde man ihnen den Anreiz nehmen, kürzere Studienzeiten zu ermöglichen. An die Leistung anknüpfen würde allerdings eine Finanzierung, die im Grenzbereich die Zahl der Studierenden in der Regelstudienzeit dotiert, möglicher weise auch die Zahl der Studienabschlüsse honoriert.

In vielen Ländern wird der Zuschußbedarf der Hochschulen bestimmt, indem neben einem Grundbetrag für die Institution selbst und fachspezifische Pauschalbeträge Studentenzahl-abhängige Beträge gewährt werden, die nach den Studien fächern gestaffelt sein können. Unter diesen Finanzierungbedingungen werden Hochschulen solange miteinander um Studierende konkurrieren, wie die Grenz kosten für deren Ausbildung die studentenspezifischen Grenz-Einnahmen über steigen. Bei entsprechender Bemessung der Beträge ließe sich die im Ausland ebenfalls praktizierte Honorierung von überdurchschnittlichen Forschungsleistungen außerdem als Komplementärleistungen zur Lehre dotieren, denn gute Forscher sind nur ausnahmsweise keine guten Lehrer, sondern geben ihre Leistungen auch über die Lehre weiter.

Analog ließe sich in Zukunft auch ein Modell der Schulfinanzierung, sogar der Kindergartenfinanzierung konstruieren. Wesentliches Element wäre neben der Grundfinanzierung jeder Schule die Zuweisung von schülerzahlabhängigen Finanzierungsbeiträgen, die nach Schultyp gestaffelt sein müßten. Komplementär müßten insbesondere die Grundschulen zu größeren organisatorischen Einheiten - dann mit mehreren Lehrstandorten innerhalb einer Gemeinde zusammengelegt werden, damit sie überhaupt über die für einen flexibleren und wirtschaftlicheren Einsatz nötige Grundmasse verfügen. Auch ihr Personal müßten sich Schulen und Kindergärten dann selbst aussuchen dürfen, weil sie ansonsten nicht zugunsten insgesamt besserer Schulleistungen miteinander um Schüler und deren Finanzierungsbeiträge konkurrieren könnten.

Wer umfassende Reformen nicht angeht, gefährdet unsere Zukunft

Wenn man sich allerdings anschaut, was die Politik derzeit in Sachen Reform der Bildungsfinanzierung anstellt, vermag man nur festzustellen, daß die Einführung effizienterer Strukturen im deutschen Bildungswesen nur in wenigen, im Ergebnis allerdings kaum als hinreichend anzusehenden Modellversuchen unternommen wird. Mehr Schulautonomie wird in einigen Ländern erprobt, die Umsetzung der Vorschläge, die eine Kommission vor zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen erarbeitet hat, steckt ebenfalls im ausgewählten Experimentierstadium. Die sogenannte Budgetierung hat in Einzelfällen auch an den Schulen Einzug gehalten, allerdings nur für die Mittel aus den Haushalten der kommunalen Schulträger. Die Globalhaus halte der Hochschulen werden in einigen Ländern mit unvollständigen Regelwerken eingeführt, mit der Folge, daß sich die Hochschulen zu Lasten anderer Haus halte sogar noch refinanzieren können. Studiengebühren werden allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Begehrlichkeit des Staates, also die zusätzlichen Einnahmen, aber nicht als Knappheitsindikatoren diskutiert.

Die aktuell verhandelte BAföG-Reform schließlich steht unter dem mehr oder weniger freiwilligen Credo der Wissenschaftsminister, daß man an das geltende Unterhaltsrecht nicht herankönne, mithin allen Studierenden, die vom Alter her noch kindergeldberechtigt sind, also bis zum 27. Lebensjahr, eine Sockelförderung in Höhe von 400-450 DM p.m. zahlen müsse. Für den zweiten Korb dieses sogenannte 3-Körbe-Modells bleibt dann unter dem Strich so wenig Finanzmasse, daß die Gefördertenquote kaum von der als zu gering kritisierten derzeitigen ab weicht. Neu ist nur die vollverzinste Kreditgewährung im dritten Korb, bei der aber der Staat selbst keine wesentlichen Lasten auf sich nimmt, sondern im Kern nur das Ausfallrisiko trägt.

Dies alles wirkt kleinmütig und nur am Status quo orientiert. Implizit wird damit aber auch der Subventionsgrad und das Subventionsgefälle zwischen den unterschiedlichen staatlich geforderten Ausbildungen erhalten. In Anbetracht allerdings der Bedeutung eines effizient und sachgerecht ausgebildeten Humankapitals für eine Hochlohnvolkswirtschaft wie die deutsche muß das herrschende Besitzstandsdenken als eine arge Hypothek angesehen werden. Ob die Finanznot hier von sich aus Lösungen hervorbringt, wenn z.B. entschieden werden muß, welche Fachbereiche wieviele der einzusparenden Professoren- und Mitarbeiterstellen abgeben müssen, muß bezweifelt werden. Eher wird auch hier eine aggressive Schlacht mit den Argumenten der vermeintlichen Überlegenheit eines Faches über das andere geführt. Es bleibt indes die Aufgabe der Politik, neue An reize für eine effizientere Ressourcenbewirtschaftung auch im deutschen Bildungswesen anzustoßen, sie zu entwickeln und umsetzen zu lassen. Die notwendigen Reformen der Bildungsfinanzierung nicht anzugehen, könnte ein größerer Betrug an der jungen Generation sein, als man ihn der Gesetzlichen Rentenversicherung gerne unterstellt. Vielleicht sollte die jüngere Generation ihrerseits wie schon vor 30 Jahren einmal Ihr Recht auf eine gute, moderne Ausbildung einfordern, die es wert ist, daß sie auch dafür bezahlt!

1) Wunder, Dieter: Zeit für eine neue Bildungsreforrn? Referat auf dem Bildungspolitischen Kongreß der GEW Hessen "Bildung ist Zukunftsinvestition" am 23.9.1995 in FrankfurUM. GEW HV-Dok. 18/95, S. 7.

2) Im Gegensatz zum Kindergeld an die Eltern schulpflichtiger Kinder hat das Kindergeld an die Eltern studieren der Kinder deshalb Subventionscharakter, weil es nicht mehr alle "Kinder" der einschlägigen Altersgruppen er halten. Es erscheint überdies ein sozialrechtlicher Anachronismus, daß volljährige Staatsbürger im Sinne von Transfergesetzen noch als Kinder angesehen werden,. Folgerichtig werden aber das Kindergeld und andere Transfers für den Lebensunterhalt schulpflichtiger Kin der (der Einfachheit halber alle einschlägigen Leistungen an Schüler) nicht in der Abb. I ausgewiesen, weil sie nicht an das Faktum des Schulbesuches, sondern an den unbedingten Familienlastenausgleich anknüpfen.

3) BAföG an Studierende / Anzahl der Studierenden

4) Vgl. Bellmann, L.; Möller, J.: Institutional influence an inter-industrial wage differential Manuskript, Nürnberg 1993 (zit. nach Büchtemann, Christoph F.; Vogler Ludgwig, Kurt: Das deutsche Ausbildungsmodell unter Anpassungszwang: Thesen zur Humankapitalbildung in Deutschland; in: ifo-Schnelldienst 17- 18/97, S. 17)

5) Vgl. Weisshuhn, Gernot; Clement, Werner: Analyse der qualifkationsspezifischen Verdienstrelationen Inder Bundesrepublik Deutschland auf der Basis der Beschäftigtenstatistik 1974/77; in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1/1982, S. 39.:

6) Vgl. Bellmann, Lutz; Reinberg, Axel; Tessaring, Manfred: Bildungsexpansion, Qualifikationsstruktur und Einkommensverteilung; in: Lüdeke, Rainar (Hrsg.): Bildungsfinanzierung und Einkommensverteilung II, Berlin 1994, S. 26.

7) Vgl. Grüske, Klaus-Dieter: Verteilungsaspekte der öffentlichen Hochschulfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland - Personalinzidenz im Querschnitt und im Längsschnitt; in: Lüdeke, Rainar (Hrsg.): Bil dung, Bildungsfinanzierung und Einkommensverteilung II, Berlin 1994, 5.71ff.


Bei den Universitäten herrscht großer Andrang. Die Zahl der Studienanfänger im Studienjahr 1996/97 hat sich im Vergleich zu 1970 (92700) mehr als verdoppelt: Rund 186000 überwiegend junge Leute schrieben sich im Sommer- und Wintersemester 1996/97 neu für ein Studium ein. Im Vergleich zum Studienjahr 1990/91 bedeutete das freilich einen geringfügigen Rückgang um knapp sechs Prozent. Die Einschreibungs-Hits an den Universitäten sind nicht unbedingt gleichzeitig die beliebtesten Studienfächer. Oft verhindert ein schlechter Abitur-Notendurchschnitt den Zugang zum begehrten Fach. Die Studiengänge der Betriebswirtschaft oder der Rechtswissenschaft - in der Einschreibungs-Hitliste im Wintersemester 1995/96 jeweils auf Platz eins bzw. zwei - sind nicht nur wegen der Hoffnung auf eine spätere berufliche Karriere so gut belegt jeder, der sich für eines dieser Fächer bewirbt bekommt - unabhängig vom Noten durchschnitt des Abiturs - einen Studien platz zugesprochen. Globus